„Damals hatte ich Komplexe“

Zu leicht! Zu klein! Florin Lovin (1,90 m, 75 kg), Mittelfeldchef der Löwen, erinnert sich an seine Jugend in Rumänien. Er kritisiert Ex-Coach Lienen – und will bis zum Karriere-Ende bei 1860 bleiben.
AZ: Herr Lovin, Sie stehen vor Ihrem zweiten Jahr bei den Löwen. Nach der langen Verletzung sind Sie ja eigentlich ein Neuzugang, oder?
FLORIN LOVIN: Ja, das kann man so sagen. Aber den Kreuzbandriss habe ich schon vergessen. Manchmal werde ich danach gefragt, dann denke ich daran. Es war neu für mich, ich hatte vorher nie eine Verletzung. Bei Steaua Bukarest (sein Ex-Verein, d. Red.) hat mich der Doktor mal gefragt, wieso ich nie zu ihm komme. Er wollte wissen, ob ich ein Roboter sei.
Obwohl Sie bei einer Körpergröße von 1,90 Metern ein ziemlich schmaler Typ sind.
Stimmt. Als ich 15 war, bin ich schnell gewachsen, da war ich noch dürrer. Damals hatte ich sogar Komplexe, heute nicht mehr. Ich bin halt dünn, aber was soll’s? Ich esse alles was ich will. Aber so extrem ist es gar nicht, auf meiner Autogrammkarte steht, ich wiege 71 Kilo, heute sind es 75. Viel mehr will ich nicht wiegen, weil ich dann nicht mehr so viel laufen kann. Wenn ich aufhöre, werde ich zunehmen. Mein Vater war früher auch dünn. Heute wiegt er 110 Kilo.
Als Jugendlicher hatten Sie nicht den besten Start.
Und ich war dazu auch noch der Kleinste! Als ich acht war, gab es bei uns in der Nachbarschaft einen Aushang: Es wurden Jungs gesucht, die Fußball spielen wollten. Der Trainer wollte mich heimschicken, er dachte, ich sei erst sechs. Aber ich bin geblieben.
Und dann ging’s richtig los?
Ich wollte immer nur Fußball spielen. Meine Mutter hat mich im Dorf suchen müssen, wenn es Essen gab. Später habe ich manchmal in der Schule gefehlt, weil ich auf dem Sportplatz war. Ich war von Anfang an süchtig, bei mir hieß es immer nur Fußball, Fußball, Fußball. Später war ich auf einer Sport-Universität und habe Fußball als Schwerpunkt gewählt.
Sie sind im Mai zum zweiten Mal Vater geworden. Fällt es Ihnen schwer, jetzt im Trainingslager zu sein?
Das ist nicht einfach für mich. Aber es sind nur acht Tage. Ich vermisse meine Tochter sehr. Immer wenn ich hier im Hotel ein kleines Kind rumlaufen sehe, wird es stärker.
Ihre Frau hat momentan somit viel um die Ohren.
Loredana ist eigentlich Journalisten, aber seit eineinhalb Jahren ist sie nur noch Mutter. Wenn ich aufhöre, wird sie arbeiten. Das ist unser Kompromiss. Jetzt passt sie auf Oliver und Xenia Elena auf. Ich bin unendlich froh, dass auch meine Schwiegereltern bei uns in Unterhaching wohnen. Mein Schwiegervater macht viel mit dem Kleinen, meine Schwiegermutter hält die Wohnung und den Garten in Ordnung. Sie bekocht uns, das ist ein Traum. Deswegen habe ich viel Kraft für Fußball.
Und auch, weil Sie sich in München so wohlfühlen?
Ich habe meine Frau gefragt, was sie möchte: gutes Geld oder ein gutes Leben? Ich hätte woanders das Doppelte verdient, aber ich wollte hierher. München ist ideal. So viele Parks, so viel Grün. Wir haben in Bukarest mitten in der Stadt gewohnt, da haben wir uns eingeengt gefühlt. Jetzt fühlen wir uns wohl. Wenn es nach mir geht, will ich bei 1860 meine Karriere beenden.
Für immer Liga zwei?
Natürlich will ich in die erste Liga. Ich will immer nach oben, immer Erfolg. Bei Steaua hieß es nur: gewinnen, gewinnen, gewinnen. Genauso gehe ich unsere Saison an. Wenn wir zum Beispiel bei Hertha spielen, dann will ich nicht hören, dass ein Unentschieden gut wäre. Wir müssen jedes Spiel so angehen, dass wir gewinnen wollen.
Was ist anders bei 1860 als letzte Saison?
Wir spielen jetzt Fußball fürs Auge, für die Fans. Es geht nach vorne. Wir haben immer fünf, sechs Chancen. Letztes Jahr haben wir abgewartet. Ich trage als zentraler Spieler ganz viel dazu bei. Das ist die wichtigste Position. Ich weiß, dass ich dem Verein enorm helfen kann. Trotzdem: Wenn ich zwei, drei schlechte Spiele mache, dann muss auch ich auf die Bank. Dann ist es egal, ob ich Champions League gespielt habe.
Sie sind der Fixpunkt im Mittelfeld. Genießen Sie diese Rolle?
Ja, ich liebe das. Ich will immer den Ball, ich will Risiken eingehen. Ich weiß aber, dass ich zu viel renne. Als ich mit Steaua gegen Arsenal gespielt habe, habe ich später die Auswertung gesehen. Wir verloren, obwohl wir doppelt so viel gelaufen sind. Ich war der Einzige, der über 13 Kilometer lief. Wie viel, weiß ich nicht. Ab Kilometer 13 wurde da gar nicht mehr gezählt.
Was läuft bei Trainer Reiner Maurer anders als bei Ewald Lienen?
Ganz viel. Wir machen stets Neues im Training, immer mit Ball. Letztes Jahr war das nicht so, da ist man zum Training gefahren und wusste schon, was gemacht wird. Das war nach einigen Wochen ziemlich monoton.
Klingt nicht so, als würden Sie Lienen vermissen.
Er war auch gut, aber manchmal hat die Begeisterung gefehlt. Man muss sich nur mal den St.Pauli-Trainer ansehen. Wie heißt der?
Genau. Wenn der über seine Mannschaft spricht, dann leuchten seine Augen. So muss ein Trainer sein! Bei uns merkt man jetzt auch, dass wir emotional eine viel bessere Bindung zum Trainer haben. Das ist wichtig. Er muss ein Team mitreißen können.
Interview: Marco Plein