Comedian und 1860-Fan Simon Pearce vor dem Derby: "Die Blauen müssen doch mal wieder ihre Freud' haben"

München - AZ-Interview mit Simon Pearce: Der 39-jährige Münchner ist Comedian, Schauspieler und Löwen-Fan. Am Freitag (20.15 Uhr) ist er auf Sat.1 in der Catch!-Show zu sehen.
AZ: Herr Pearce, für das Löwen-Erwachen aus der Winterpause könnte am Samstag (14 Uhr) kein besserer Kontrahent parat stehen: der FC Bayern. Da werden schöne Derby-Erinnerungen wach, oder?
SIMON PEARCE: Absolut! Da erinnert man sich gleich an die guten, alten Zeiten: an Thomas Riedl, der Oli Kahn einen reingeknallt hat. An Jens Jeremies, der nach seinem Wechsel zu den Roten bei seinem Eigentor doch nochmal sein Löwenherz wiedergefunden hat (Hin- und Rückspiel 1999/2000, d. Red.) Oder an Jörg Böhme, der uns 3:2 in Führung schießt und du denkst: Das muss doch reichen!

Es hat bekanntlich nicht gereicht, das Rückspiel der Spielzeit 1996/97 endete 3:3. Die ärgerlichste Derby-Erinnerung?
Kann schon sein - wo ihn der Böhme doch so brutal reinhaut! Die schlimmste Erinnerung war aber ein 1:3 im Olympiastadion (1998/99, d. Red.). Ich hab' die Karten geschenkt bekommen, also bin ich mit meinem Cousin hingegangen. Wir sind die Sechzger-Kurve entlang gelaufen und dachten uns: "Moment mal - das geht in die falsche Richtung!" Am Ende standen wir mit unseren Löwen-Trikots mitten im Bayern-Block. Da waren die Jacken zu, der Reißverschluss ganz oben. Da hat uns sogar der Jeremies einen eingeschenkt. Daraufhin fragt uns ein Roter im Block (Pearce verstellt seine Stimme): "Was freit's eich denn gar ned?" Wir sind irgendwann gegangen, achtzigste Minute oder so. Übel.
Pearce: "Ich würde vorschlagen: Wir hauen die jetzt weg"
Wie redet sich der Sechzger-Anhänger die Tatsache schön, dass nun schon der fünfte Vergleich mit den Amateuren ansteht?
Reden wir lieber weiter über die zwei Derbysiege in einer Saison (lacht). Die waren der Hammer! Die kann dem Löwen-Fan keiner mehr nehmen, die haben viele Niederlagen in all den Jahren befriedet.
Aktuell könnte der TSV mit einem Sieg auch so einen Fluch brechen: Seit dem Abstieg aus der Zweiten Liga gelang noch kein Triumph - selbst gegen die kleinen Bayern.
Das regt mich total auf. Da steigen wir aus der Regionalliga auf und marschieren auch unter Michael Köllner, aber gegen die Bayern verkacken sie es jedes Mal. Auch das ist Sechzig: Als Favorit den Gegner aufbauen, das können wir. Aber jetzt sind wir Dritter und der FCB schwächelt. Bei denen kennt man ja keinen Spieler mehr. Der Nicolas Feldhahn ist auch schon ein alter Mann. Leider fehlt die Derby-Stimmung, aber die Chancen stehen trotzdem gut. Ich würde vorschlagen: Wir hauen die jetzt weg. Die Blauen müssen doch auch mal wieder ihre Freud' haben.
Worin der Löwe derzeit schwelgt und dem FCB II die Berechtigung fehlt: Aufstiegshoffnungen. Wie groß sind diese bei Ihnen angesichts Relegationsrang drei?
Ich halte den Kader für sehr stark. Mölders ist natürlich ne' Maschine da vorne. Tore hat er schon immer geschossen, jeden Ball da vorne festgemacht. Im Alter haut er jetzt auch noch Pässe raus, die ihm vor fünf Jahren noch keiner zugetraut hätte. Dazu hat jeder mal einen Lauf: der Erik Tallig, der Dennis Dressel oder der Lorenz, der Kleine, der Knöferl. Schon geil, wenn so ein 17-Jähriger abgeht. Ich bin schon zufrieden damit, was der Michael Köllner da so treibt. Hoffentlich schlägt auch der Neue (Merveille Biankadi, d. Red.) ein. Wobei ich einen Transferwunsch hätte.
Der da wäre?
Fabian Johnson. Der ist ein Spezl von mir und ich spekuliere darauf, dass er zurückkommt. Ich denke mir immer: Das wär' doch 'ne Romanze, wenn er nochmal den Löwen auf der Brust tragen würde.
Pearce: "Für Kollegen, die von der Bühne zum Mund leben, ist es da natürlich richtig Scheiße"
Stichwort Corona-Krise: Wie hart trifft Sie der Lockdown als Schauspieler und Comedian ganz persönlich?
Schon hart, es sind wahnsinnig viele Auftritte und Live-Shows abgesagt. Zum Glück habe ich noch ein paar Fernsehsachen. Heute läuft auf Sat.1 die neue Catch!-Show mit Luke Mockridge, da bin ich Field Reporter, der zwischendurch ein bisschen komödiantisch lauter lästige Fragen stellt. Dann bin ich beim Buchstabenbattle dabei, drehe eine kleine Rolle in einem Kinofilm und habe ein Hörspiel aufgenommen. Für Kollegen, die von der Bühne zum Mund leben, ist es da natürlich richtig Scheiße. Bei allen notwendigen Maßnahmen sollte sich die Politik mal Gedanken machen, wie man der Kulturlandschaft wirklich hilft. Sie wird sonst enorm ausgedünnt! Ich hoffe sehr, dass die Corona-Zahlen fallen und das normale gesellschaftliche Leben weitergeht. Auch die VIP-Lounge Giesing (die Dachgeschoss-Wohnung eines Freundes von Pearce gegenüber des Grünwalder Stadions, d. Red.) muss bald wieder aufgesperrt werden.
Sie sind bekannt dafür, sich gegen Rassismus einzusetzen, bringen unter anderem in Ihrem Programm "Allein unter Schwarzen" mit eigenen Negativ-Erfahrungen ihr Publikum zum Lachen. Was muss sich in der Gesellschaft und dem Fußball im Umgang mit Fremdenfeindlichkeit auch heute noch ändern?
Mit dem Tod von George Floyd gab es im letzten Jahr einen neuen, tragischen Anstoß für die Black-lives-matter-Bewegung. Aber einen, der gesessen hat. Ich hatte die Angst, dass das Thema Rassismus wieder nur trendig behandelt wird. Dass ich mich als Betroffener dagegen einsetze, ist ja klar. Aber ich finde gut, dass mittlerweile ausführlicher darüber geredet wird. Es ist ein Vorteil von Social Media, dass die Welle so groß geworden ist. Das Thema muss nerven, damit es an manche Leute rankommt. Ich muss gestehen: Ich habe auch etwas in meiner Rhetorik ändern müssen. Am Anfang habe ich oft das "N-Wort" in meinem Programm gedroppt. Bis ich von außen öfter darauf angesprochen worden bin: "Der Pearce sagt das doch auch - so schlimm ist es also nicht, wir können das Wort auch benutzen!" Doch, es ist schlimm! Leider müssen auch heute noch viele Leute ihre Haltung ändern. Das fängt schon mit der Rhetorik an. Ich finde es gut, wenn auch im Fußball die Leute aufstehen und demonstrieren.
Womit wir wieder beim Derby wären: Wie schaut Ihr erhoffter Spielverlauf aus?
Die Bayern führen, ganz klar. Dann hält Marco Hiller einen Elfmeter und wir drehen das Ding. 2:1- Derby-Dreier! Und Dennis Erdmann fliegt mit Gelb-Rot vom Platz. Ach so, der ist ja schon gesperrt. Wir gewinnen trotzdem - und sind die Nummer eins der Stadt!