Coachen wie Lorant, spielen wie Arsenal

"Ich wollte ursprünglich nie Trainer werden..." - Nun ist er es schon knapp ein Jahr lang beim TSV 1860 München: Marco Kurz im AZ-Interview über Indianertänze an der Seitenlinie und seine Lehrmeister.
von  Abendzeitung
Marco Kurz: 18. März 2007 bis 23. Februar 2009
Marco Kurz: 18. März 2007 bis 23. Februar 2009 © Bernd Feil

"Ich wollte ursprünglich nie Trainer werden..." - Nun ist er es schon knapp ein Jahr lang beim TSV 1860 München: Marco Kurz im AZ-Interview über Indianertänze an der Seitenlinie und seine Lehrmeister.

AZ: Herr Kurz, die AZ-Leser wählten Sie zum „Trainer des Jahres 2007“ – was bedeutet Ihnen als Neueinsteiger dieser Titel?

MARCO KURZ: Das ist eine tolle Auszeichnung, aber für mich persönlich nicht so wichtig. Sie ist eher eine Bestätigung für unsere gesamte Ausrichtung und Arbeit im sportlichen Bereich. Dass wir uns im Trainerteam auf dem richtigen Weg befinden und einen guten Austausch mit der sportlichen Leitung haben. Ich bedanke mich bei den AZ-Lesern für das große Vertrauen.

Ottmar Hitzfeld, Ihr ehemaliger Trainer bei Borussia Dortmund, landete hinter Ihnen auf Platz zwei: Seine Falten wurden zuletzt immer tiefer, im Sommer tritt er beim FC Bayern nun zurück. Ist der Preis des Geschäfts nicht zu hoch?

Für mich ist der Trainer-Job relativ entspannt, ich habe große Freude daran. Ich bin mit sehr viel Herzblut dabei und bin auch enttäuscht, wenn Dinge nicht so laufen, wie ich sie mir vorstelle. Aber ich habe nicht diesen Mega-Stress, für mich ist es ein Geschenk, Trainer bei 1860 zu sein. Wenn ich mal so viele Erfolge wie Ottmar Hitzfeld vorweisen kann, dann habe ich eine tolle Karriere hinter mir.

Bei 1860 leben die Trainer allerdings gefährlich, der Verschleiß war in den letzten Jahren relativ hoch: Siehe Lorant, Pacult, Götz, Vanenburg, Bommer, Maurer, Schachner…

Der Druck wird bei 1860 immer da sein, in dieser Stadt. Man muss in seiner Arbeit aufgehen, die Augen offenhalten und Verbesserungen anbringen – der größte Faktor bleibt natürlich der Erfolg. Wenn der ausbleibt, muss der Trainer der Erste sein, der die Konsequenzen ziehen muss. Das ist bei jedem Verein der Welt gleich. Aber ich hätte nichts dagegen, solange bei 1860 zu bleiben wie Lorant. Der Verein liegt mir sehr am Herzen.

Trainer – für Sie schon immer ein Traumberuf?

Schon als Kind war ich begeisterter Fußballer, dann Profi, nun Trainer – das ist schon eine tolle Geschichte, dem Fußball auf dieser Ebene erhalten zu bleiben. Das ist phantastisch.

Wann kam der Moment, als Sie sich sicher waren: Ja, Marco, das ist es…

Ausschlaggebend war für mich das Erlangen der A-Lizenz, die mich berechtigt hat, Regionalliga-Mannschaften zu trainieren. Danach habe ich mir gesagt: Ich habe noch Lust am Kicken – was mach’ ich jetzt?

Und dann?

Bin ich nach Pfullendorf, habe dort ein halbes Jahr Regionalliga gespielt – und danach wollte der Verein mich unbedingt als Trainer. Das war meine Chance. Ich habe mir immer gesagt: Du bist noch lange kein guter Trainer, nur weil du 15 Jahre Profi warst. Ich musste schnell lernen, eine Gruppe führen zu können. So bin ich reingewachsen, und dann ging der Weg bald schon wieder zurück nach München. Du musst auch was tun für dein Glück.

Ihr Ex-Trainer Werner Lorant hat einmal gesagt: „Der Marco hat als Spieler schon wie ein Trainer gedacht…“

Ich wollte ursprünglich nie Trainer werden, ich habe es meist immer nur von anderen Leuten gehört, die mir das zutrauen.

Was haben Sie sich von Lorant abgeschaut?

Er war der große Motivator, er wollte jedes Spiel gewinnen, egal wie der Gegner geheißen hat. Das möchte ich als Trainer auch rüberbringen.

Was sind für Sie die schönsten Momente als Trainer?

Wenn die Spieler zu den Fans gehen und sich feiern lassen – dann läuft mir das runter wie Öl. Dafür arbeiten wir eine Woche. Das macht mich stolz. Ich finde das Gesamtbild schön: Mannschaft und Fans sind eins.

Und was machen Sie in diesen Sekunden?

Ich betrachte das aus gutem Abstand – ich bedanke mich bei den Fans, klatschte rein oder verneige mich. Das ist mein Dankeschön, ich muss keinen Indianertanz machen.

Für was steht der Trainer Kurz?

Für Ehrlichkeit und Fleiß. So wie du vor eine Mannschaft trittst, kommt es zurück: Ich versuche auch authentisch zu sein, die Kommunikation ist sehr wichtig. Die Mannschaft kriegt relativ schnell das Gefühl: Ist das einer – oder ein Dampfplauderer? Ich habe mir den Respekt erarbeitet. Die Dinge, die ich von meiner Mannschaft verlange, lebe ich auch vor.

Sie legen auf die Gruppe sehr viel wert.

Jeder Einzelne hat sich einzubringen im Team. Aber jeder Spieler ist anders zu betrachten, das ist die Schwierigkeit, wenn du 24 Jungs hast. Es gibt welche, die Freiräume brauchen – wie Berkant Göktan. Den musst du anders führen als die Benders. Das sind völlig unterschiedliche Typen. Du musst als Trainer ein gutes Menschengefühl haben.

Wer ist ihre wichtigste Bezugsperson, mit dem Sie sich regelmäßig über Fußball austauschen?

Mein Vater (Edgar Kurz, ehemaliger Trainer beim schwäbischen Kreisligisten SV Sillenbuch, d. Red.). Durch ihn bin ich zum Fußball gekommen. Er ist mein absolutes Vorbild, wir tauschen uns immer wieder aus. Er ist ein Mann mit großem Fußball-Verstand. Er kommt oft zu unseren Spielen, auch die Mama. Meine Eltern begleiten mich schon die ganze Karriere. Mein Vater lebt das noch intensiver als ich. Er ist sehr stolz auf mich, aber auch kritisch. Und das ist mir sehr wichtig.

Wie bilden Sie sich weiter?

Ich habe bei Guus Hiddink in Eindhoven und Arsene Wenger bei Arsenal London hospitiert. Jens Lehmann (ein guter Freund von Kurz, d. Red.) hat mir das bei einem Besuch in London vermittelt. Es war phantastisch. Allein vom Tempo her. Ich habe bis heute keine Mannschaft gesehen, die schneller spielt als Arsenal. Ich schau mir den englischen Fußball sehr gerne an: Wenn der Letzte gegen den Ersten spielt, geht 90 Minuten die Post ab. Das gefällt mir.

Interview: Oliver Griss

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