"Catering-Streit": Das Urteil im Wortlaut

Im Streit mit der Allianz Arena München Stadion GmbH wegen ausstehender Zahlungen für Bundesligaspiele in der Allianz Arena haben die „Löwen“ eine Niederlage hinnehmen müssen. Lesen Sie hier die offizielle Urteilsbegründung des Landgerichts München 1 im Wortlaut.
von  Abendzeitung
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MÜNCHEN - Im Streit mit der Allianz Arena München Stadion GmbH wegen ausstehender Zahlungen für Bundesligaspiele in der Allianz Arena haben die „Löwen“ eine Niederlage hinnehmen müssen. Lesen Sie hier die offizielle Urteilsbegründung des Landgerichts München 1 im Wortlaut.

Die 1. Handelskammer des Landgerichts München I verurteilte den TSV zur Zahlung der rückständigen Beträge.

Einst war der TSV Teilhaber der Stadiongesellschaft (Klägerin) und durch Abschluss eines „Stadionüberlassungsvertrages“ mit der Klägerin gleichzeitig Mieter der Allianz Arena. Wegen drohender Insolvenz verkaufte der TSV seine Anteile allerdings im Jahr 2006 an den FC Bayern, trug seine Bundesligaspiele aber weiterhin als Mieter in der Allianz-Arena aus. Der Stadionüberlassungsvertrag wurde zuletzt im Jahr 2008 im Zuge des Verzichts des TSV auf die Option zum Rückkauf der Stadion-Anteile erneuert. Er gilt bis 2025.

Nach dem Stadionüberlassungsvertrag ist der TSV verpflichtet, neben der eigentlichen Miete für jedes Bundesligaspiel eine Pauschale für die gastronomische Versorgung im Business- und Sponsorenbereich an die Klägerin zu zahlen (Catering-Kosten). Zwischen August und September 2009 zahlte der TSV allerdings nicht mehr die vereinbarte Pauschale, sondern kürzte diese entsprechend der niedrigeren Auslastung des Stadions. Während die Klägerin auf der Zahlung der vereinbarten Pauschale bestand, erklärte der TSV die entsprechende Vertragsklausel für sitten- und kartellrechtswidrig. Die Cateringpauschale setze eine nahezu 100 %-ige Auslastung für sämtliche Heimspiele des TSV während einer Saison voraus, obwohl seit Eröffnung der Allianz-Arena 2005 nicht einmal eine Auslastung von 50 % erreicht worden sei. Da der TSV seit dem Verkauf der Gesellschaftsanteile nur noch Mieter sei, werde er im Verhältnis zum FC Bayern ungleich und damit diskriminierend behandelt: Der FC Bayern profitiere als Gesellschafter der Klägerin von deren Einnahmen, während der TSV als Mieter daran nicht teilhabe.

Das Gericht bewertete die Catering-Pauschale allerdings weder als sitten- noch als kartellrechtswidrig und gab der Klage daher statt.

Ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung liege nicht vor, da die Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt nicht marktbeherrschend gewesen sei. Als sich der TSV in den Jahren 2005 und 2006 durch den Stadionüberlassungsvertrag an die Klägerin gebunden habe, standen mit dem Olympiastadion und dem Stadion in Unterhaching mindestens zwei weitere bundesligataugliche Stadien im Großraum München zur Verfügung. Dass sich die beiden Vereine in freier unternehmerischer Entscheidung schon im Zuge der Planungen der Arena gegenüber der Stadt München verpflichtet hatten, im Olympiastadion keine Spiele mehr auszutragen, ändere an der Bundesligatauglichkeit des Olympiastadion aus kartellrechtlicher Sicht nichts. Es war also nicht so, dass der TSV gar nicht anders konnte, als seine Spiele in der Allianz-Arena auszutragen.

Eine Marktbeherrschung ergebe sich auch nicht daraus, dass der TSV das neue große Stadion gemeinsam mit dem FC Bayern betrieben habe und sich dabei durch Gründung der Klägerin von dieser abhängig gemacht hat. Der TSV habe insoweit eine freie unternehmerische Entscheidung getroffen. Die tatsächlichen Machtverhältnisse bei der Klägerin – hier der klamme TSV, dort der geldige FC Bayern – seien gesellschaftsimmanent, kartellrechtlich aber ohne Bedeutung. Auch der Verkauf der Gesellschaftsanteile sei eine unternehmerische Entscheidung gewesen, die als gesellschaftsinterner Vorgang nicht nach den Regeln des Kartellrechts bewertet werden könne.

Das Gericht stufte die Catering-Klausel auch nicht als sittenwidrig ein. Selbst wenn man in der drohenden Insolvenz eine Zwangslage des TSV sehe, ergebe sich aus dem Vortrag des TSV nicht, dass die Klägerin diese Lage vorwerfbar ausgenutzt habe. Der TSV habe den Vertrag in dieser Situation als Vollkaufmann abgeschlossen, weswegen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof keine verwerfliche Ausnutzung seitens des Vertragspartners vermutet werden könne, zumal auch das Ausfallrisiko der Klägerin im Falle der Insolvenz des TSV berücksichtigt werden müsse. Auch die Vertragsdauer bis 2025 sei bei solch langfristigen Projekten wie dem Stadionbetrieb nicht ungewöhnlich und deshalb nicht ohne weiteres als sittenwidrige Knebelung zu bewerten.

(Urteil des Landgerichts München I, Aktenzeichen: 1 HK O 17908/09; nicht rechtskräftig)

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