Bommer im AZ-Interview: "Die Löwen liegen immer noch in Lauerstellung"

München - AZ-Interview mit Rudi Bommer: Der 64-Jährige war zwischen Juli und Dezember 2004 1860-Trainer und arbeitet derzeit als TV-Experte bei Magenta Sport.
AZ: Herr Bommer, der TSV 1860 schien sich mit vier Siegen in Serie im Aufstiegsrennen zurückzumelden - doch zuletzt folgten vier Partien ohne Sieg. Hilft jetzt nur noch Michael Köllners Playoff-Bart?
RUDI BOMMER: Ich fand seinen Bart nicht schlecht, wobei der sicher stark gejuckt hat (lacht) Nein, ich denke Michael Köllner weiß selbst: Der Erfolg der Löwen hängt von der täglichen Arbeit auf dem Platz ab, nicht von seiner Bartpflege.

Von Relegationsrang drei trennen 1860 acht Punkte, nach unten sind es zwölf. Geht's nur noch um die goldene Ananas?
Würde ich so nicht sagen. Die Dritte Liga ist ganz gefährlich, abgerechnet wird bekanntlich zum Schluss. Schauen Sie sich doch den FC Bayern II an: Der ist mit einer enormen Aufholjagd noch Meister geworden. Wenn Sie mich fragen, liegen die Löwen immer noch in Lauerstellung.
Bommer: "Sechzig hat einen guten Trainer. Daran gibt es nicht zu rütteln"
Während Köllner in seiner bisherigen Amtszeit durch sportlichen Erfolg und seine integrative Art die Sechzger befrieden konnte, scheint es aktuell zu brodeln.
Ich bin der Meinung: Sechzig hat einen guten Trainer. Daran gibt es nicht zu rütteln. Er schluckt viel, hält vieles von der Mannschaft fern. Dass sich der Vereinspräsident (Robert Reisinger, d. Red.) nach zwei Niederlagen mal hinstellt und sich ärgert, ist zwar nachvollziehbar. Am besten passiert sowas aber nur intern. Trainer, Präsident, am besten auch noch die Geschäftsführung: Die Löwen müssten sich mal alle an einen Tisch setzen und überlegen, wie sie es in Zukunft besser machen wollen.
Sie sprechen ja aus Erfahrung: Nach dem Abstieg aus der Bundesliga im Jahr 2004 sollten Sie mit Sechzig den direkten Wiederaufstieg schaffen. Damals wie heute: Wie kontraproduktiv ist die enorme Erwartungshaltung?
Bei Sechzig hast du so gut wie immer Aufstiegsdruck. Ich habe mir die Situation damals ja so ausgesucht, es war eine sehr spannende Aufgabe. Leider sollte es nicht sein. Es war damals schon so: Wenn es nicht lief, haben sich immer irgendwelche Leute ausgeheult. Störfeuer sind jedenfalls nicht förderlich, das ist Gift.
Mit Blick auf die aktuelle Lage: Wo hakt es bei den Blauen?
Man muss sicher sagen, dass die Löwen im Vergleich mit den Spitzenteams wie dem 1. FC Kaiserslautern und Eintracht Braunschweig nicht so einen breiten Kader haben. Lautern hat dann im Winter auch noch einen Terrence Boyd geholt. Das ist eine Ansage.
Zum Vergleich: Bei 1860 waren Geschäftsführer Günther Gorenzel nur 50.000 Euro zur Verfügung gestanden.
Das ist natürlich eine Summe, mit der du nicht viel anfangen kannst. Auf den Ausfall von ein, zwei Leistungsträgern kann man's nicht schieben, denn die hat jede Mannschaft mal zu beklagen. Den Wegfall von Sascha Mölders hätte 1860 natürlich irgendwie kompensieren müssen.
Bommer: "Mit einem Erfolgserlebnis im Rücken ist vieles möglich"
Köllner und Gorenzel haben mit einem Systemwechsel hin zu mehr Konterfußball und Starkreden des eigenen Personals reagiert. Ein Plan, der anfangs aufgegangen ist. . .
Ja, das haben sie in den ersten Spielen wirklich gut gemacht, gerade Marcel Bär und Stefan Lex. Trotzdem fehlt dir da vorne ein Spieler, der auch mal zwei Gegner auf sich zieht, Räume schafft. So einer hätte da sicher nicht geschadet.
Apropos Mölders: Hatten Sie nach dessen Aus Kontakt zu Ihrem Ex-Schützling, den Sie einst in Duisburg zum Profi machten?
Nein, hatte ich nicht. Aber in einer solchen Situation willst du als Spieler vermutlich auch nicht, dass dir ständig einer schreibt.
Zurück in die Gegenwart: Wie kann es die 1860 am Samstag in Zwickau und in der restlichen Saison denn schaffen, doch noch oben reinzurutschen?
Wie Sie schon sagen: Zuerst müssen die Sechzger das Ding in Zwickau ziehen. Mit einem Erfolgserlebnis im Rücken ist vieles möglich. Köllner hat schon letzte Saison alles rausgeholt aus seinem Kader. Wenn er das auch jetzt schafft, ist es noch nicht vorbei. . ."