Blaue Farbbeutel, rotes Konfetti
MÜNCHEN Wofür so alte Hemden noch verwendet werden bei den Löwen: „Pro Stoffers" scheint spiegelverkehrt auf den 16 T-Shirts durch, die während der Jahresversammlung der Fußballabteilung, mit 17641 Mitgliedern größte Abteilung des Vereins, in die Höhe gereckt werden. Stoffers, jener Geschäftsführer, der sich einst großmäulig mit dem FC Bayern anlegte, hat hier noch immer Fans. Ganz im Gegensatz zu seinem Nach-Nachfolger. SCHÄFER = VERRÄTER steht auf der Vorderseite dieser T-Shirts. „Schäfer raus!", skandiert der Saal dazu ausdauernd. Und: „Wir sind Blaue – und ihr nicht!"
In dieser Atmosphäre findet die Löwen-Versammlung im Kulturhaus Milbertshofen statt. 450 Mitglieder sind gekommen, die meisten sind Befürworter einer Insolvenz und wollen den Neustart im Amateurlager. Robert Schäfer ist gar nicht erst gekommen.
Geleitet wird die Fußballabteilung, die die traditionell gute Jugendarbeit bei 1860 organisiert, von Robert Reisinger, auch er ein Schäfer-Kritiker. In seinem Grußwort führt er die rückläufigen Mitgliederzahlen (seit Saisonbeginn fast 500 Mitglieder weniger) auf die Identitätslosigkeit eines Vereins zurück, der die Hilfe des FC Bayern in Anspruch nimmt. Die Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung sei mangelhaft, zudem habe die KGaA im Juni 2010 die Zahlungen an die Abteilung für den Jugendfußball eingestellt.
Viele der Anwesenden nutzen jedes Argument Reisingers zu Unmutsbekundungen gegen Schäfer, gegen die Allianz Arena, gegen Sportdirektor Miki Stevic, gegen den FC Bayern. Bierkeller-Stimmung.
Die Löwen geben ein schauriges Bild ab in diesen Tagen, in denen Geschäftsführer Robert Schäfer und Präsident Dieter Schneider verzweifelt um die Sanierung kämpfen. Selbst Schneider, eigentlich ob seiner Integrität von allen Gruppierungen geschätzt, hat es schwer in dieser Atmosphäre. „Ich sehe es als meine Verpflichtung an, solange zu kämpfen und die Rettung zu versuchen, solange es vernünftig ist”, sagt er. Man dürfe unterschiedlicher Meinung sein, aber offen sein für sachliche Argumente, mahnt er. „Ich fürchte, dass wir das hohe Niveau unserer Jugendabteilung nach einer Insolvenz nicht werden halten können”, sagt Schneider, der mit einem persönlichen Bekenntnis schließt: „Dass hier geschrien wird, dass wir keine richtigen Löwen sein sollen, das tut schon ein bisserl weh.” Später kommt es noch schlimmer: Sein Vize-Präsident Franz Maget wird mit roten Konfetti beworfen. Zu sagen, dass dieser Klub in sich zerrissen ist, wäre untertrieben. Den Löwen droht ein Fan-Aufstand – eine regelrechte Spaltung. Der übliche Löwen-Irrsinn: derzeit noch wahnsinniger als sonst. Weitere Beispiele gefällig?
In der Nacht auf Samstag wurde ein Beutel mit blauer Farbe auf das Service-Center des FC Bayern in der Säbener Straße geworfen. Die oder der Täter sind nicht bekannt, die Löwen gehen aber davon aus, dass er aus ihrem Lager kommt. „Jeder soll seine Meinung sagen können”, meint Präsident Schneider, „aber Vandalismus und so ein Schwachsinn, das geht gar nicht. Das ist sehr, sehr dumm.” Immerhin, selbst abputzen musste 1860 das Geschmiere nicht. Das erledigten die Bayern selbst.