Blaue Baustellen

Es hakt beim vermeintlich bereits geretteten TSV 1860: Die finanzielle Rettung stockt, die Trennung von Sportchef Stevic sorgt für Unruhe, neue Namen machen die Runde
München - Dieter Schneider klang heiser am Mittwoch. Kein Wunder, hatte der Löwen-Präsident den ganzen Dienstag mal wieder in Gesprächen zugebracht. Und seine übliche Medikation gegen strapazierte Stimmbänder – Zigaretten und Kaffee – ist ja eher eigenwillig. Doch aus dem Klang der Stimme Aussagen über seine Laune abzuleiten, wäre vermessen. „Ich habe mich meistens ganz gut im Griff“, sagt er. Bemerkenswert, dass der Multi-Unternehmer aus dem Dachauer Hinterland so gelassen wirkt.
Denn während sich die Profi-Mannschaft – ja, die gibt es auch noch! – auf das Spiel am Freitag (18 Uhr, Liveticker bei abendzeitung.de) beim FSV Frankfurt vorbereitet, hakt es dieser Tage beim nur vermeintlich geretteten TSV 1860. Es gibt genug blaue Baustellen – allen voran die eher schleppend voran schreitende finanzielle Rettung, dann die Unruhe wegen des Abschieds von Sportdirektor Stevic – und die Gerüchte um mögliche neue Mitarbeiter auf der Geschäftsstelle.
Die Rettung der Löwen entwickelt sich mehr und mehr zur Pokerpartie. Mit am Tisch sitzen dabei Alt-Gläubiger, Banken, die Emissäre des jordanischen Baulöwen Hasan Ismaik – und Dieter Schneider und 1860-Geschäftsführer Robert Schäfer. Die Gläubiger wollen auf möglichst wenig Geld verzichten, weniger jedenfalls als auf die kolportierten 60 Prozent Forderungsverzichte. Die Banken wollen möglichst wenig Kredite vergeben, dafür aber möglichst große Sicherheiten (Erlöse aus Zuschauer- und TV-Einnahmen). Und Ismaik will möglichst wenig Altlasten übernehmen.
Mittendrin sitzen die Löwen, die weiter das schlechteste Blatt in der Hand haben. Auch fast zwei Wochen nach dem vorläufigen Abwenden der Insolvenz ist ein Durchbruch nicht in Sicht. Noch immer ist nicht klar, ob die Löwen am Ende 49 Prozent der Anteile verkaufen werden oder die Bankenlösung zustande kommt, die schon gescheitert schien. Man arbeite noch an beiden Modellen, so Schneider: „Ich denke, dass alles weitaus weniger dramatisch ist, als es in der Öffentlichkeit dargestellt wird.“ Die Lage ist verworren.
Wie die AZ erfuhr, monieren Banken und Gläubiger, dass die Löwen „wesentliche Hausaufgaben“ nicht erledigt hätten. Es geht um Kapitalnachweise, Abschreibemöglichkeiten und Verzichtskonditionen. „Katastrophal“ sei die Sitzung verlaufen, heißt es aus Gläubiger-kreisen, die Löwen-Bosse seien nicht konkret geworden. Schlechte Nachrichten gibt es auch von der Säbener Straße. Bayerns Finanzchef Karl Hopfner schloss in der „SZ“ weitere Zugeständnisse aus. 1860 schuldet den Roten derzeit noch etwa drei Millionen Euro, die größtenteils Ende Juni fällig werden.
Miki Stevic ließ sich auch am Mittwoch nicht an der Grünwalder Straße blicken. „Seit Samstag“ hat ihn Trainer Reiner Maurer, der einen Kommentar zum Stevic-Aus verständlicherweise verweigerte, nicht mehr gesehen. Letzten Freitag hatte 1860 dem Serben mitgeteilt, dass dessen im Juni auslaufender Sportchefvertrag nicht verlängert wird. „Es war eine demokratische Entscheidung. Alle Gremien haben zugestimmt“, erklärte Präsident Dieter Schneider. „Über die Gründe will ich nichts sagen, wir gießen kein Öl ins Feuer.“
Zwar sprach die AZ am Mittwoch mit Stevic, doch dem Serben fällt ein klares Wort schwer. „Ich habe mir nichts vorzuwerfen“, wiederholt er. Und: „Man muss sich nicht um mich sorgen, ich werde schon nicht verhungern.“
Aus der Mannschaft war derweil zu erfahren, dass viele Profis der Entscheidung keine große Bedeutung beimessen. Die meisten hatten ohnehin wenig Kontakt zu Stevic. Die Vereinsmitteilung, nach der der 41-Jährige seinen Vertrag bis Saisonende erfüllen werde, wollte er nicht bestätigen. Ob er am Freitag mit nach Frankfurt fahre? „Ich kann nichts sagen. Es ist nichts entschieden.“
Noch ist der Einstieg von Investor Hasan Ismaik nicht besiegelt, schon kursieren an der Grünwalder Straße Namen von etwaigen Beratern. Es gilt als sicher, dass dem Jordanier daran gelegen wäre, einen Mann seines Vertrauens auf der Geschäftsstelle zu wissen. Laut „Bild“ könnte es sich dabei um Dieter Meinhold handeln.
Der 56-Jährige war früher Manager des Karlsruher SC, Vorstandsmitglied beim VfL Bochum – und von 2007 bis 2009 Sportdirektor der Profi-Liga von Katar. Meinhold leitet in Frankfurt eine Beratungsagentur. Ist er ein 1860-Kandidat? „Ich bin bisher nicht gefragt worden, aber dass Thema 1860 wäre für mich hochinteressant“, sagte er der AZ.
„1860 ist ein spannender Verein mit einem großartigen Potenzial. Ich glaube, dass der neue Investor durchaus einen Berater in Deutschland braucht. Ich kenne die arabische Kultur, auch die Unternehmenskultur, sehr gut. Ich könnte mir gut vorstellen, da mitzuwirken – in welcher Konstellation auch immer. Derzeit berate ich große Unternehmen, die einen Einstieg in Katar planen.“