„Berkant ist in der Klinik — wir machen uns große Sorgen“
MÜNCHEN - Die Löwen sind in großer Sorge: Was ist mit Berkant Göktan los? Der Torjäger wird auf ärztlichen Rat abgeschottet. Selbst die Eltern wissen nicht, wo der Mittelfeldspieler ist. Die Abendzeitung hat Vater Fahrettin Göktan besucht. Er gab der AZ dieses Exklusiv-Interview.
Der Vereinsarzt hat beim Torjäger, der seit zwei Wochen fehlt, ein Müdigkeits- und Erschöpfungssyndrom diagnostiziert. Der 1860-Star ist seit Tagen nicht mehr an der Grünwalder Straße aufgetaucht. Wo ist er? Die Abendzeitung hat Vater Fahrettin Göktan (60) in der Wohnung der Familie in Bogenhausen besucht.
AZ: Herr Göktan, wie geht es Ihrem Sohn?
FAHRETTIN GÖKTAN: Den Umständen entsprechend, er hat sich ein Virus eingefangen. Er hat sich irgendwo angesteckt. Ihm ging’s hundeübel, er war vier Tage bei uns nur im Bett gelegen, ist nicht aufgestanden. Er konnte sich kaum rühren. Das ist wirklich ein Seuchenjahr für ihn: Erst die Bandscheiben-Operation, dann der Tritt in die Scherbe und nun dies. Das ist echt der Horror.
Wo hält sich Berkant auf?
Er ist in einer Klinik, seit letzter Woche. Er macht eine Therapie, kann aber auch Sport machen – an einem geheimen Ort rund 60 Kilometer von München entfernt.
An einem geheimen Ort?
Ja, selbst wir wissen nicht, wo er sich aufhält. Er hat auch kein Handy dabei, er ruft uns von der Klinik aus an. Erst am Montag hat er uns angerufen. Die Ärzte haben ihm empfohlen, mal richtig abzuschalten, keinen Kontakt zu niemandem zu haben, auch nicht zu seinen Eltern.
Was erzählt er so?
Er sagte: „Papa: Ich komm’ nächste Woche raketenartig zurück, die werden sich alle wundern.“ Er hat auch gesagt, bei 1860 brauche sich keiner Gedanken darüber zu machen, dass er nicht mehr zurückkomme. Ich hoffe es wirklich, Berkant hat in seiner Karriere so viel Pech gehabt. Meine Frau und ich, wir machen uns jedenfalls große Sorgen um ihn. Berkant plant, dass er am kommenden Montag die Klinik verlassen kann. Dann ist unsere Wohnung auch so weit renoviert, dass Berkant sich sehr wohl fühlt.
Er wird also am Sonntag im Heimspiel gegen Mainz fehlen. Löwen-Trainer Marco Kurz hat über Ihren Sohn neulich gesagt: „Ich kann nicht ständig Schattenmann spielen, aber Berkant sollte Dinge beherzigen, die jeder Profi vorleben sollte.“ Tut er dies denn etwa nicht?
Früher hat er viele Fehler gemacht, aber er hat daraus gelernt. Wirklich. Er ist 1860 sehr dankbar, dass man ihn aus der Versenkung geholt hat. Er hatte mit Profi-Fußball ja schon abgeschlossen. Nun will Berkant sich seinen großen Traum erfüllen und 1860 in die Bundesliga zurückschießen. Deswegen ist er im Sommer auch nicht in die Türkei gewechselt. Dort hätte er das Doppelte verdienen können. Ich bin sehr glücklich, dass er hiergeblieben ist. Die Löwen sind für ihn wie ein zweites Zuhause. Er hat sich noch nirgends so wohl gefühlt wie bei 1860.
Ist es nur Zufall, dass in der Karriere Ihres Sohnes, der mit 17 Jahren schon für den FC Bayern in der Champions League gespielt hat, auf ein Hoch meist gleich ein Tief folgt?
Hierfür bin ich ein schlechter Gesprächspartner, weil ich sein schärfster Kritiker bin. Berkant verträgt keine Kritik, deswegen haben wir auch nicht dieses innige Vater-Sohn-Verhältnis, wie es in anderen türkischen Familien typisch ist. Berkant ist ein Mensch, der nur gelobt werden will. Das kann ich als Vater nicht. Ich liebe meinen Sohn, aber er muss auch etwas leisten. Als wir letztens meinen 60. Geburtstag gefeiert haben und er mir ein Löwen-Trikot geschenkt hat mit der 60 hinten drauf, hat er mir gesagt: „Papa, in diesem Leben kann ich dich nicht mehr glücklich machen.“
Sollten Sie also ein bisschen mehr auf ihn zugehen?
Ich sage Ihnen mal was: Ich bin meinem Sohn durch halb Europa nachgefahren – wegen 90 Minuten. Und heute suche ich noch immer den Jungen, der ein Weltstar hätte werden können. Das soll sich jetzt nicht so anhören, dass ich unzufrieden bin. Ich bin nicht unglücklich, dass er jetzt bei 1860 in der Zweiten Liga spielt. Aber sein ganzes Talent hat er noch nicht gezeigt.
Und warum nicht?
Er macht sich zu viel Druck, und ihm fehlt das Selbstvertrauen. Das ist kaum vorstellbar, ist aber so.
Interview: Oliver Griss