Bericht über dubiose Transfer-Praktiken beim TSV 1860: Was ist dran an den Fanblog-Vorwürfen?

Bahnt sich die nächste Eskalationsstufe bei den zerstrittenen Bossen des TSV 1860 an? Was ist bei den Verhandlungen mit potenziellen Neuzugängen im Sommer passiert? Und wer profitiert von den neuen Anschuldigungen?
von  Matthias Eicher, Ruben Stark, Florian Weiß
Geschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer (l.) und Trainer Maurizio Jacobacci wickelten gemeinsam die Transfers des TSV 1860 ab. Wie sauber ging es dabei zu?
Geschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer (l.) und Trainer Maurizio Jacobacci wickelten gemeinsam die Transfers des TSV 1860 ab. Wie sauber ging es dabei zu? © imago/Sven Simon

München - Nicht nur sportlich herrscht an der Grünwalder Straße angesichts von vier Niederlagen in Folge und Rang 16 in der Liga Katerstimmung, auch intern geht es rund wie lange nicht – und das heißt im Löwen-Kosmos, der ja eigentlich nie zur Ruhe kommt, bekanntlich schon einiges.

Selbst beim Wiesn-Termin am Dienstag gab es keine Versöhnungsmaß(en), stattdessen folgte am Tag darauf mal wieder ein böses Erwachen.

Das Fan-Portal "sechzger.de" veröffentlichte einen Artikel, in dem den für die aktuelle Kader-Planung beim TSV 1860 in diesem Sommer Verantwortlichen ein undurchsichtiges Geschäftsgebaren bei der Verpflichtung neuer Spieler für die nun laufende Spielzeit der Blauen vorgeworfen wird, was von Sechzig prompt dementiert wurde.

(Potenzielle) Neuzugänge des TSV 1860 sollen genötigt worden sein, ihre Berater zu wechseln

Normalerweise liegen Neuverpflichtungen im Fußball im Verantwortungsbereich von Sportgeschäftsführern oder Sportdirektoren. Da aber aufgrund mangelnder Einigkeit in den Löwen-Gremien kein Nachfolger für den abgewanderten Günther Gorenzel als Geschäftsführer Sport oder Sportdirektor installiert werden konnte, hatten federführend Finanz-Geschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer und Trainer Maurizio Jacobacci unter Mithilfe von NLZ-Leiter Manfred Paula und Chefscout Jürgen Jung die Transfers vorangetrieben. So weit, so gut, so bekannt.

Nun aber stellt "sechzger.de" den Vorwurf in den Raum, dass potenzielle Neuzugänge von Löwen-Entscheidern dazu gedrängt worden seien, ihre Berater – beziehungsweise Agenturen – zu verlassen, um so einen Wechsel zu Sechzig zu ermöglichen. Das Portal behauptet, dass diese Vorgänge so von mehreren Beratern unabhängig bestätigt worden seien und aufgrund dieser Ansinnen mindestens drei Transfers zu den Sechzgern eben an diesen Forderungen gescheitert seien.

Was ist dran an den Vorwürfen des TSV-1860-Fanblogs?

Ganz konkret benennt der Fanblog einen Fall, in dem nach der ersten Kontaktaufnahme durch Jacobacci nicht der Löwen-Trainer selbst die weiteren Verhandlungen geführt haben soll, sondern ein Mann, der sich als dessen Berater ausgegeben habe. Dieser habe nicht nur auf einen Wechsel der Agentur gedrängt, sondern auch gleich eine konkrete Empfehlung für einen Nachfolger ausgesprochen, um den Transfer zu realisieren. Der Name dieses Beraters, der in früheren Jahren für einen Profifußballverein tätig gewesen war, liegt der AZ vor.

Zweifelhaftes System und Gebaren – oder doch nur ein Einzelfall? Im Gespräch mit der AZ betonte der Berater eines 1860-Neuzugangs, der aber nicht genannt werden wollte, dass zumindest beim Wechsel seines Schützlings im Sommer keinerlei derartige Forderungen gestellt wurden oder Druck aufgebaut worden seien.

Der TSV 1860 reagiert mit einer knappen Stellungnahme

Einige Stunden nach der Veröffentlichung des brisanten Artikels reagierten die Löwen mit einer knappen Stellungnahme, in der die Vorwürfe als "haltlose Anschuldigungen gegen verschiedene Funktionäre" bezeichnet werden.

Diese "entbehren jeglicher Grundlage und beschädigen das Ansehen der handelnden Personen und des TSV 1860", man behalte sich zudem "rechtliche Schritte gegen die Betreiber des Fan-Portals und Verfasser von Folgeartikeln" zum Schutze der KGaA vor. Auf AZ-Nachfrage betonte der Verein am Donnerstag, man werde sich nicht weiter in der Angelegenheit äußern.

Reisinger, Pfeifer, Ismaik: Jeder gegen jeden beim TSV 1860

Es drängen sich viele Fragen auf: Wer hätte von so einem Vorgehen, wie es das Portal beschreibt, Vorteile? Aber auch: Wer profitiert nun von diesen vermeintlichen Enthüllungen?

Die brisante Publikation reiht sich nahtlos in eine Reihe von Berichten, Interviews und gegenseitigen Anschuldigungen ein, die zuletzt von Vertretern des e.V. und der Investorenseite in die jeweilige Gegenrichtung getätigt wurden. Präsident Robert Reisinger hatte etwa scharfe Kritik an Geschäftsführer Pfeifer und den Vertretern des Hauptgesellschafters Hasan Ismaik geübt.

Beim TSV 1860 herrscht zwischen Geschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer (l.) und Präsident Robert Reisinger weiter Uneinigkeit.
Beim TSV 1860 herrscht zwischen Geschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer (l.) und Präsident Robert Reisinger weiter Uneinigkeit. © imago/Kirchner-Media

Die Betreiber des Fanblogs halten an ihrer Version der Geschichte fest

Er hatte dabei bereits nebulös von der Beteilung externer Berater geraunt. Mit Blick auf die noch immer nicht erfolgte Nachbesetzung des Gorenzel-Postens hatte er von Zeit-Verschleppung gesprochen, "um die Kaderplanung in eigener Regie durchführen zu können".

Fanartikel-Chef Anthony Power und Aufsichtsratboss Saki Stimoniaris, beides enge Vertraute von Ismaik, sollen ebenfalls an der Kaderzusammenstellung mitgewirkt haben.

Sie sind sich spinnefeind bei den Löwen – leider. Unbeeindruckt vom Gegenwind und der Androhung rechtlicher Konsequenzen seitens 1860 halten die Betreiber des Fanblogs am Inhalt ihres brisanten Artikels fest und betonten ihrerseits: "Sämtliche Vorgänge, über die wir berichtet haben, können durch uns selbstverständlich schriftlich belegt werden."

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