Benjamin: Wer ist hier der Boss?

Endlich findet 1860-Profi Collin Benjamin zu seiner Form – und prompt meldet er Ansprüche auf eine Führungsrolle an. Darüber Freude sich die Kollegen und Coach Maurer: „Deshalb haben wir ihn geholt."
MÜNCHEN - Es war wie so oft in der Fremde. Die Löwen ergaben sich auch in Fürth gegen ein Topteam ihrem Schicksal, und so richtig wusste keiner, den Untergang aufzuhalten. Schon in St. Pauli und in Düsseldorf hatte die Mannschaft einen Niedergang erlebt, nach dem sich viele fragten: Wieso hat Sechzig keinen Chef im Ring, der sich wehrt, der die Mannschaft anstachelt? Freilich, Kapitän Benny Lauth ist in vorderster Front oft zu weit weg vom Geschehen, im Mittelfeld arrangiert sich Daniel Bierofka noch mit seiner neuen Sechserrolle – und ganz hinten, da sind die Löwen mit ihren permanenten Wechseln genug beschäftigt.
Nun könnte einer in eine Führungsrolle schlüpfen, die zum einen sowieso für ihn vorgesehen war – und auf die er zum anderen auch selbst große Lust hat: Collin Benjamin. Der 33 Jahre alte Namibier, der bei den Löwen ob seiner lockeren Art von Beginn an gut aufgenommen worden war, spielte in Fürth zum zweiten Mal seit seiner Verpflichtung im Sommer vom Hamburger SV komplette 90 Minuten. Nun sagt er: „Mein Anspruch ist es, die anderen zu pushen. Ich will den Jungs helfen, dass sie mehr aus sich herausholen. Das geht nur, wenn ich spiele. Ich fühle mich immer besser und bin zuversichtlich, dass das so bleibt.”
Für die Sechzger kommt die verbesserte Form Benjamins, der laut Trainer Maurer in Fürth „zu 100 Prozent funktioniert hat” und „eine sehr überzeugende Partie” bot, genau zum richtigen Zeitpunkt. Denn zum einen haben sie seine Abwehrqualitäten nach dem Ausfall von Necat Aygün und der Sperre von zwei Spielen für Kai Bülow zwingend nötig – und zum anderen zeigt sich gerade in Duellen gegen die Topklubs der Liga, wie wertvoll Benjamins Erstligaerfahrung sein kann. Mitspieler Stefan Buck sagt: „Man merkt direkt, wenn ein Mann mit seiner Erfahrung dabei ist. Der hat es nicht nötig, von links hinten nach rechts vorne zu brüllen. Aber was Collin sagt, hat immer Hand und Fuß. Jeder kann davon lernen.”
Auch aus diesem Grund würde Maurer den Namibier gerne mehr im Zentrum spielen lassen. Zuletzt fing Benjamin zwar links in der Abwehr an, dass Maurer ihn aber schon in Fürth während des Spiels in die Mitte beorderte, überraschte nicht. „Wenn man einen Mann mit seiner Qualität hat, dann will man die auch nutzen. Collin hat sich seine Fitness zurückerkämpft und das wollen wir natürlich nutzen. Deshalb haben wir ihn ja geholt, damit er hier eine Führungsrolle übernehmen kann”, sagt Maurer.
Bislang konnte der Ex-Hamburger laut Maurer vor allem durch seine „totale Beliebtheit” bei den Mitspielern punkten, jetzt möchte er auch auf dem Feld das Kommando übernehmen. „Ich bin keiner, der große Sprüche klopft und Aufmerksamkeit will”, sagt er, „meine Rolle ist auf dem Platz. Da will ich reden, reden und reden. Nur so kann ich meine Erfahrung weitergeben.” Dass Benjamin vielleicht auch mal einen Schritt zu weit gehen könnte, nimmt er in Kauf. Der Afrikaner mit norddeutschem Slang erklärt: „Wenn ich mal was zu krass gesagt habe, dann gehe ich nach einem Spiel hin und dann heißt es: ,Hey Digga, das war nichts Persönliches. Das war nur gut gemeint.’”
Wie sehr der neue Häuptling seine erhoffte Rolle schon eingenommen hat, wurde nach dem Spiel in Fürth klar, als er nach fast 80-minütigem Kampf in Unterzahl sagte: „Wir haben alles gegeben. Ich bin stolz auf meine Jungs.” Benjamin und seine Jungs – so stellen sie sich das vor bei den Löwen.