Benjamin: "Ich bin doch nicht der Papst"

Mit ihm verbinden Löwen-Fans große Hoffnung: Collin Benjamin. Der 32-jährige 1860-Neuling sprach im Trainingslager über seine interessante Geschichte.
MARIA TAFERL - Seit knapp einer Woche gehört Collin Benjamin zu den Löwen. Im Sommer-Trainingslager in Maria Taferl nahm sich der Zugang vom Hamburger SV Zeit, um über seinen Wechsel, seine Heimat und seinen Werdegang zu erzählen. Collin Benjamin über ...
... seine ersten Eindrücke:
„Bislang habe ich ja fast nur die Mannschaft gesehen, jetzt kenne ich schon fast alle Namen. Ich Freude mich im Moment einfach nur, bei der Mannschaft zu sein, und wieder die Chance zu haben, zu spielen. Das sind ja auch alles coole Jungs hier. Gleich an meinem ersten Tag haben mich Feick und Halfar mit zu Necat (Aygün, d. Red.) ins Restaurant genommen, da waren noch ein paar andere von der Mannschaft. Das war eine coole Sache, Rukavina und Rakic waren auch da. Ich habe mich gleich wohlgefühlt im Team.“
Seinen Umzug:
„Wenn die Tage hier in Österreich vorbei sind, werde ich mich um eine Wohnung kümmern. Meine Familie ist ja noch in Hamburg, meine jüngste Tochter hat das noch gar nicht kapiert, das ich jetzt in einer anderen Stadt spiele für einen anderen Verein. Sie hat mich gefragt, welche Farbe habt ihr? Da habe ich gesagt: blau. Da hat sie gesagt, aber der HSV ist doch auch blau. Es wird wohl noch etwas dauern, bis alles mit meiner Familie geregelt ist.“
Seine Familie:
„Meine Kinder wachsen dreisprachig auf, neben deutsch und englisch sprechen sie auch Oshiwambo, die Sprache in Namibia. Zwei Mal im Jahr bin ich noch in der Heimat, Air Berlin fliegt ja auch ein Mal in der Wochen aus München nach Namibia, das habe ich schon gesehen. Der größte Teil meiner Familie lebt ja auch daheim, wenn man meine Familie und die meiner Frau zusammennimmt, kommt ein ganzes Dorf dabei heraus.“
Seine Heimat Namibia:
„Namibia ist sehr relaxed, wir haben nur zwei Millionen Einwohner, es ist alles gut organisiert bei uns. Wir sind nicht so das typische afrikanische Land. Wir haben auch Armut, klar, aber es gibt große Unterschiede zu Nigeria oder Kamerun. Wir haben viele Touristen, wenn ich im Flieger sind, sind 80 bis 90 Prozent Touristen.“
„Auch bei uns lief früher viel deutscher Fußball im Fernsehen, und Dortmund war in der Zeit sehr erfolgreich, Dortmund war das beste an Deutschland. Da wurde ich dann zum Fan. Als ich dann aber nach Deutschland kam und erwachsen wurde, war das schnell vorbei.“
Spiele gegen 1860:
„Ich habe früher schon ein paar Mal gegen 1860 gespielt, ich erinnere mich vor allem an ein Spiel im Olympiastadion, danach habe ich das Trikot mit Lance Davids aus Südafrika getauscht. Ansonsten weiß ich natürlich auch, dass 1860 eher ein Arbeiterverein ist. Ich Freude mich, in der nächsten Zeit noch viel über den Verein herauszufinden. Aber die Probleme der letzten Monate habe ich auch so mitbekommen.“
Hamburg:
„Ich habe es noch gar nicht realisiert, dass ich nicht mehr in Hamburg bin. Wenn ich mal alt bin, will ich wieder in Namibia leben, aber vorher werde ich auf jeden Fall wieder für einige Jahre nach Hamburg zurückkehren. Ich könnte ein ganzes Buch darüber schreiben, was ich an Hamburg so mag. Ich liebte die Freiheit in Hamburg, damit meine ich, dass ich an einem Abend mit einem Mitglied des Aufsichtsrats zum Beispiel im Vier Jahreszeiten essengehen und am nächsten Abend einen Döner auf der Schanze essen konnte. Das fand ich einfach cool. Da waren alle sehr locker. Aber München ist auch eine coole Stadt, mir tut es nicht weh, dass ich jetzt in München gelandet bin.
Seine Karriere:
„Ich war gerade in meinem zweiten Jahr an der Uni in Namibia, ich habe da BWL studiert. Als dann Mitte der Neunziger Jahre Eric Cantona aus Frankreich nach England gewechselt ist, habe ich eine Freundin gefragt, wie ist das möglich, dass man wegen Fußball in ein anderes Land wechselt? Damals habe ich erst verstanden, dass bezahlter Fußball ein Job ist, und dann habe ich erst so richtig gemerkt, hey, ich kann ja auch ein bisschen Fußball spielen. In der Schule haben sie mich gehasst, weil ich dann immer gesagt habe, ich will mal Fußballer werden. Naja, dann gab es irgendwann eine Chance, und ich hatte ja in der U23-Nationalmannschaft schon ein bisschen Geld verdient, um mir ein Ticket zu kaufen. Also habe ich meine Tasche gepackt und bin losgeflogen. Das habe ich selbst geregelt. Nach Namibia kamen ja keine Scouts, dann musste ich da halt hin. In Hamburg hatte ich einen guten Bekannten, also ging es dorthin.“
Seinen Anfang in Deutschland:
„Die schwerste Zeit war in der Amateurliga. Ich wollte ja nur schnell nach oben kommen und Profi werden, aber die meisten Jungs in der Verbandsliga kamen von der Arbeit zum Training und wollten danach noch ein Bierchen trinken. Wir haben ja nur drei Mal in der Woche trainiert, ich wollte gleich mehr, aber da musste ich mich erst mal gedulden. Als irgendwann der Wechsel zum HSV geklappt hat, haben Leute, mit denen ich heute noch Kontakt habe, gesagt, das gibt’s ja gar nicht, wir dachten damals, du erzählst nur Quatsch. Die haben mir wohl gar nicht wirklich zugetraut, dass ich mal Profi werde.“
Seine Rolle im Löwen-Team:
„Wenn auf dem Spielfeld mal was falsch läuft, werde ich viele Tipps geben, aber generell will ich mich nicht hinstellen und sagen, ich bin der Papst, ich weiß alles. Die 18-Jährigen heute sind ja auch viel weiter als früher, ich muss mir das immer vor Augen führen, dass 18-Jährige meine Arbeitskollegen sind. Die sind so alt wie mein jüngster Bruder, der ständig zu mir kommt und sagt, hey, gib’ mir doch grad mal einen Zwanziger oder so. Die meisten brauchen gar keine große Hilfe.“
Seine Zeit nach der Karriere:
„Ich will mich weiterbilden zum Trainer. Am liebsten würde ich später mit Kindern arbeiten, vielleicht ja sogar in Namibia, das wäre natürlich besonders toll.“