"Bei sechs Niederlagen in Folge. . ."
München - Die Zeit. Ein Begriff, den jene Männer, die sich in der Vergangenheit Trainer des TSV 1860 nennen durften, eigentlich gar nicht kennen. Dauernd schlüpft sie davon, bei der Zusammenstellung des Kaders rinnt sie durch die Hände, und nach der ersten längeren Durststrecke ist sie meistens schon abgelaufen. Kosta Runjaic ist sage und schreibe der 15. Trainer seit dem Abstieg 2004. Im Gegensatz zu sämtlichen Vorgängern scheint sie im Übermaß zu genießen, die Zeit.
"Diesen Umbruch können wir nicht von heute auf morgen gestalten", erklärte Runjaic kürzlich. "Der Trainer hat noch viel Arbeit vor sich, um daran zu feilen, dass die Abläufe besser stimmen", ergänzte Sportchef Thomas Eichin – beide Phrasen entstammen nicht etwa der Vorbereitung, sie wurden nach der 0:1-Auftaktpleite bei Greuther Fürth getätigt. Runjaic und Eichin warben um Geduld für ihre Mission – und der Oberlöwe höchstselbst stellt klar, dass sich der TSV 1860, entgegen aller früherer und im Profifußball gängiger Reflexe, diesmal in Langmut üben.
"Totale Übereinstimmung in allen Dingen"
"Klar ist Enttäuschung da. Wir wären alle lieber mit einem Sieg in Fürth gestartet", sagt Präsident Peter Cassalette der AZ, "aber unser Projekt kann nicht nach einem Spieltag bewertet werden – auch nicht nach zwei oder fünf. Das Projekt 1860 mit allem, was dazugehört, dauert seine Zeit. Man darf nicht ungeduldig sein." Daher dürfe auch nicht an Runjaic und seinem Trainerteam gezweifelt werden. Vielmehr spricht ihm der 1860-Boss eine rekordverdächtig frühzeitige Jobgarantie aus.
"Wir sind davon überzeugt, dass wir die richtigen Leute haben – mit Kosta Runjaic, Thomas Eichin und der Mannschaft. Bei uns herrscht totale Übereinstimmung in allen Dingen", so sein Plädoyer, "von diesem Weg lassen wir uns auch nicht abbringen." Cassalette warnt auch davor, "so früh in Panik zu verfallen" – und spinnt seinen Gedanken selbst für den Fall, dass die Sechzger in den nächsten Partien wie am Fürther Ronhof versagen, weiter: "Bei sechs Niederlagen in Folge würde der Druck von außen noch viel größer, aber selbst dann würden wir nicht von unserem von Konzept abweichen." In anderen Worten: Runjaic könnte sich einen denkbar schlechten Start à la Ricardo Moniz erlauben, ohne Angst vor einem Rauswurf haben zu müssen. Beim Niederländer war nach seiner wahnwitzigen Aussage zu Beginn der vergangenen Saison, die Meisterschaft holen zu wollen, schon sieben Spieltage später die Uhr abgelaufen.
Löwe Liendl: Lächeln, arbeiten - und spielen?
Mit der Anhebung der Sechzger auf ein neues Level, wie es Cassalette jüngst formulierte, gehe einher, dass man Projektleiter Runjaic, Eichin und deren Akteuren auch eine Findungsphase zugestehe. Ratsam wäre es dennoch, würde man schon bei der Heimpremiere am Sonntag gegen Arminia Bielefeld (15.30 Uhr, live bei Sky und im AZ-Liveticker) auf dem Rasen der Allianz Arena etwas mehr Einheit und weniger zusammengewürfelten Haufen sehen. "Ich bin gnadenloser Optimist, ich Freude mich auf unser erstes Heimspiel und glaube daran, dass wir es erfolgreich gestalten. Wichtig ist es, Woche für Woche einen Fortschritt zu sehen. Das werden auch die Fans honorieren", so Cassalette, der befürchtet hatte, dass das glücklose Spiel bei den Kleeblättern tausende Zuschauer für Sonntag kosten würde.
Bleibt zu klären, wie der Hauptgesellschafter tickt: Hasan Ismaik hat in der Vergangenheit gerne die Ablösung diverser Funktionäre gefordert – etwa vor den kürzlich vollstreckten Demissionen der beiden Geschäftsführer Markus Rejek und Noor Basha. Diesmal jedoch hatte Ismaik bei der Installierung von Runjaic und Eichin ein Wörtchen mitzureden: "Zwischen uns herrscht totale Übereinstimmung. Da passt kein Blatt dazwischen", so Cassalette. Die Löwen sollten jenes Blatt dennoch besser nicht schon frühzeitig einer Zerreißprobe unterziehen.