"Bei den Löwen herrschte immer viel Trubel"

München - AZ-Interview mit Philipp Tschauner. Der 31-Jährige ist der Torwart von Zweitligist Hannover 96. Von 2006 bis 2011 spielte er beim TSV 1860. Am Samstag treffen die beiden Klubs aufeinander.
AZ: Herr Tschauner, am Samstag empfangen Sie mit Hannover 96 den TSV 1860. Was ist größer: die Vorfreude auf Ihren Ex-Klub oder der Druck nach dem 0:2 beim KSC?
Philipp Tschauner: Über allem stehen die drei Punkte. Wir sind sehr unzufrieden mit dem KSC-Spiel, es war für uns alle ein Tiefpunkt. Gegen die Löwen müssen wir wieder unser wahres Gesicht zeigen.
Einmal mehr gilt die alte Floskel: In den 90 Minuten wird’s keine Freunde geben.
Richtig. Im Hinspiel habe ich kurz mit Kai Bülow und Stefan Aigner geredet: Kai ist ja der Einzige, der immer noch da ist, und Aiges ist zurückgekommen. Schon klar, dass sie mir am liebsten einen reindonnern würden, das will ich natürlich verhindern – am besten wie im Hinspiel (2:0 für Hannover, d. Red.) zu Null spielen.
Wie viel Kontakt gibt’s noch mit dem besagten Löwen-Duo?
Bei Kai ist es so: Immer wenn wir uns sehen, ist es wie früher. Mit Aiges habe ich ein bisschen mehr Kontakt, wir haben einige gemeinsame Freunde in München, telefonieren ab und zu, aber nicht regelmäßig. Ansonsten ist die Zeit bei 1860 in meiner Vita schon ein paar Jahre zu lange her.
Von 2006 bis 2011 haben Sie 54 Profispiele für den TSV 1860 absolviert. Wie blicken Sie zurück auf die Zeit auf Giesings Höhen?
Im Gesamtpaket war es eine sehr wunderbare Zeit. Es war meine erste Profistation fernab der Heimat, ich habe bei Sechzig viel gelernt. Bitter war mein Kreuzbandriss, aber auch aus solchen Situationen kann man gestärkt hervorgehen. Obwohl bei den Löwen immer viel Trubel herrschte und es aus sportlicher Sicht immer wieder Rückschläge gab, hat mich die Zeit dort nicht schwächer gemacht.
Mit Michael Hofmann lieferten Sie sich einen Zweikampf, später wurde Ihnen Gabor Kiraly vor die Nase gesetzt. Was konnten Sie von denen lernen?
Mit Michi war es für mich das erste Mal, sich einen solchen Konkurrenzkampf um die Nummer eins zu liefern. Das hat uns gegenseitig zu großer Form gepusht. Von ihm konnte ich diese Verbissenheit in jedem einzelnen Training mitnehmen, nie aufzugeben. Gabor war ein wahnsinnig erfahrener Keeper mit einer beeindruckenden Coolness. Ich habe versucht, mir diese Souveränität abzuschauen – aus modischer Sicht habe ich es bisher aber ohne graue Jogginghose ausgehalten.
Ihr Highlight im Sechzger-Trikot?
Das Derby im Pokal gegen den FC Bayern. Ausverkaufte Arena, ich komme nach 25 Minuten verletzungsbedingt rein. Ich bekomme heute noch Gänsehaut, wenn ich davon erzähle. Und dann trifft Franck Ribéry in der 120. Minute diesen dummen Elfmeter. Schade, dass es keine Derbys mehr gibt. Aber da bräuchten die Löwen mal wieder Losglück – oder müssen in der Liga Gas geben.
Womit wir in der Gegenwart wären: 1860 hat sich im Winter rundum erneuert, Trainer Vitor Pereira spricht trotz Abstiegsgefahr vom Aufstieg in nicht allzu ferner Zukunft.
Wir werden einen gefährlichen Gegner haben. Durch die zwei letzten Pleiten haben die Löwen Druck bekommen, davor waren sie selbstbewusster. Sie werden auch noch merken, dass erst am 34. Spieltag Schluss ist.
Die jüngsten Querelen dürften Sie auch in Hannover mitbekommen.
Ich verfolge Sechzig nach wie vor und kriege vieles mit. Dort hat sich ja einiges geändert, fast die ganze Vereinsstruktur. Am Ende bin ich aber zu lange und zu weit weg, um das abschließend beurteilen zu können.
In Fußball-Deutschland vermehrt sich der Widerstand gegen die Praktiken der Löwen. Andreas Rettig, Geschäftsführer Ihres Ex-Klubs St. Pauli, hat kürzlich das Fehlen von Meinungsfreiheit und Respekt bemängelt.
Das Innenleben des Vereins kann ich aus der Entfernung nicht beurteilen und mögliche Vorkommnisse erst am Samstag. Wie man mit anderen Menschen umgeht, dabei sollte sich aber jeder selbst hinterfragen.