Bei den Blauen regiert der Rotstift
Der Absturz ins Mittelmaß stellt den TSV 1860 vor große Probleme. 2,5 Millionen Euro müssen eingespart werden. Geschäftsstellen-Mitarbeiter in Sorge. Und Kurz fürchtet Ausverkauf der Talente.
MÜNCHEN Am Freitag, noch vor dem 0:1 gegen Augsburg, hatten Rainer Beeck und Stefan Reuter einen gemeinsamen Sponsoren-Termin im Business-Bereich der Allianz Arena – bei Ausrüster Erima. Es wurde gelacht, geplaudert und gewitzelt. Es hat schon was, mit dem Weltmeister von 1990 fotografiert zu werden – oder ihm auch mal die Hand zu schütteln.
Doch spätestens seit der neuerlichen Derbypleite ist die Realität beim TSV 1860 trist: Der Verein denkt nach dem Absturz ins Zweitliga-Mittelmaß nun über Einsparungen in allen Bereichen nach. „Demnächst gibt es Entscheidungsbedarf“, bestätigt Vize-Präsident Franz Maget der AZ. „Die Frage ist“, so der SPD-Politiker, „was wollen wir?“
Michael Hasenstab, der für die Finanzen zuständige Vize-Präsident, hat in einer vertraulichen Email, deren Inhalt nun in die Öffentlichkeit lanciert wurde (AZ berichtete), darauf hingewiesen, dass der TSV 1860, der ein Minus von drei Millionen Euro vor sich herschiebt, zum radikalen Sparen gezwungen ist. Das Einsparungspotenzial soll bei 2,5 Millionen Euro liegen. Präsident Rainer Beeck, gestern von der AZ mit dieser Summe konfrontiert, bestätigte der AZ: „2,5 Millionen Euro ist der Betrag, um bei Null zu landen. Wir müssen Kostenfaktoren hinterfragen.“
Nun regiert der Rotstift bei den Blauen.
Doch wo anfangen?
Ganz oben auf der Streichliste: Die Catering-Kosten für die Allianz Arena. Sie betragen zwei Millionen Euro. Obwohl das Stadion bei 1860 oft nur zu einem Drittel ausgelastet ist, zahlt der Zweitliga-Verein die gleiche Summe wie die Bayern, bei denen die Arena immer ausverkauft ist. Für Löwen-Boss Beeck ein Unding: „Das ist eine fixe Größe, die sehr weh tut. Das ist ein Posten, den man im Maßnahmen-Katalog hinterfragen muss.“ Daran war auch schon der frühere Geschäftsführer Stefan Ziffzer gescheitert.
Auch die Geschäftsstelle ist im Visier des Hasenstabschen Sparkurses. Alle Bereiche, vom wenig effektiven Scoutsystem bis hin zur Marketing- und Presseabteilung werden durchleuchtet. Die rund 40 Geschäftsstellen-Mitarbeiter an der Grünwalder Straße sind in Alarmstimmung – und auch der Trainer ist besorgt. „Wir wissen jetzt“, sagte Marco Kurz am Samstag, „dass wir als Mannschaft in der Pflicht sind.“ Um bessere Ergebnisse zu liefern als am Freitag gegen Augsburg, denn Beeck will seine Visionen nicht verwerfen: „Wir richten uns auf die Bundesliga aus.“ Nicht in dieser Saison, aber spätestens 2010, zum 150-jährigen Bestehen. soll’s mit der Rückkehr ins Oberhaus klappen.
Doch was ist, wenn die die Mannschaft dem Verein und den Fans die Perspektive vorzeitig raubt? Trainer Kurz fürchtet, dass dies auf den Ausverkauf der Talente rauslaufen könnte. „Wir wissen, dass wir Erfolg haben müssen“, sagte er, „sonst ist der eine oder andere Spieler weg.“ Das „Tafelsilber“ des Klubs – wie Timo Gebhart oder die Bender-Zwillinge – brächte zwar Geld in die Kasse, ein Verkauf der Talente aber wäre für 1860 kontraproduktiv.
Und auch ein Investor, die womöglich letzte Rettung aus dem Teufelskreis, scheint fünf Tage vor der Delegierten-Versammlung am Samstag auf dem Nockherberg nicht in Sicht zu sein, zumal die Wirtschaftskrise derzeit alles lahmlegt. Die Investoren-Gruppe um Ex-Löwe Micky Stevic, die dem Verein im Sommer 6,5 Millionen Euro in Aussicht gestellt hat, mag auch nicht mehr bei 1860 einsteigen, wie Beeck der AZ bestätigt: „Diese Investorengruppe hat sich zurückgezogen, sie hat das Angebot nicht mehr aufrecht erhalten.“
Oliver Griss