Baier spielt Zidane – und wird beleidigt: "Das tut weh!"

Ex-Löwe Daniel Baier entscheidet das Derby, verzichtet aufs Jubeln und fühlt sich doch verschmäht.
von  Abendzeitung
Nicht zu halten: In bester Zinedine-Zidane-Manier spielte der Ausgburger Daniel Baier gegen seinen Ex-Club auf.
Nicht zu halten: In bester Zinedine-Zidane-Manier spielte der Ausgburger Daniel Baier gegen seinen Ex-Club auf. © Bongarts/Getty Images

Ex-Löwe Daniel Baier entscheidet das Derby, verzichtet aufs Jubeln und fühlt sich doch verschmäht.

MÜNCHEN In der 81. Minute gab es dann heftige Pfiffe. Es waren nicht die ersten an diesem tristen Novemberabend, und sie trafen den falschen: Daniel Baier hatte zaghaft in die Hände geklatscht und dabei Richtung Nordkurve geschaut, doch als er das Echo aus dem Fanblock der Löwen vernahm, schüttelte er verständnislos den Kopf.

Gerade hatte er sein erstes Tor im Profifußball erzielt seit dem 1. Oktober 2006. Damals, beim 2:0 gegen Jena, jubelte er noch für die Löwen. Und nun? Jubelte er gar nicht. Der Schütze des entscheidenden, weil einzigen Treffers zeigte, auch wenn die Fans des FC Augsburg schier aus dem Häuschen waren, nicht die geringste Regung. „Aus Respekt vor den Löwen-Fans“, wie er später sagte. Ganz vorsichtig nur legte Baier einen Finger auf die Lippen – als wolle er der blau-weißen Nordkurve vor ihm zuflüstern: Liebe Löwen, ich musste euch weh tun, doch ich habe es nicht gerne getan.

Tatsächlich hat er die Löwen, seine alte Liebe mitten ins Herz getroffen und dies mit einem Tor wie aus dem Lehr-, ach was, aus dem Bilderbuch. Es war gleich die erste Chance der Augsburger, die zum Tor geführt hatte, und es war ausgerechnet der Ex, der seine früheren Kameraden eiskalt und doch so wunderbar erwischte: Baier nutzte einen Fehler von Gregg Berhalter, stieg erst mit der Sohle auf den Ball, zog dann mit der Ferse rüber, spielte so drei hilflose Löwen aus und dann Doppelpass mit Thurk, um schließlich den Ball über 1860-Keeper Philipp Tschauner zum 1:0 ins Netz zu lupfen. Ein Sensationstreffer im Zidane-Stil.

Acht Jahre hatte Baier das 1860-Trikot getragen, er, der verlorene Sohn, der erstmals, seit ihn die Löwen 2007 nach Wolfsburg verkauft hatten, wieder in Fröttmaning vorspielte. Und er hatte sich viel vorgenommen, nach diesem doch eher verlorenen Jahr in Wolfsburg, wo er nur auf 15 Spiele kam und von VfL-Trainer Felix Magath später sogar noch zu den Amateuren abgeschoben wurde. Es sollte, nach dem Karriere-Knick, für sein neues Team zu einem Aufbruch an alter Wirkungsstätte werden. Es wurde ein Triumph für Baier, auch wenn er am Ende durch Schmähungen getrübt wurde.

Zunächst schon hatte Löwen-Trainer Marco Kurz die Liebeserklärungen Baiers („Ich werde 1860 immer dankbar sein") nicht erwidert, sondern ihn nur kühl begrüßt: „Ich habe kein Verhältnis zu Danny Baier. Er ist ein Spieler des FC Augsburg." Dann waren es die Sechzig-Fans, die Baier bei dessen Auswechslung in der 81. Minute wenig freundlich verabschiedeten – mit Schmährufen („Baier, Du A...“) nämlich aus tausenden Kehlen. „Ich habe natürlich Pfiffe erwartet, aber keine Beleidigungen“, sagte Baier später enttäuscht. „Ich habe hier sieben Jahre gut gearbeitet, das tut mir schon weh! Dabei kann ich doch jedem bei Sechzig in die Augen schauen.“

Vor allem jenem 1860-Ordner, dem er nach Abpfiff sein Trikot schenkte. Mit einem seiner Ex-Kollegen das Trikot zu tauschen, danach stand Baier nun nicht mehr der Sinn. Immerhin, nach seinem großen Abend in Fröttmaning durfte er noch in München feiern. Mit Freunden, die ihn gewiss nicht auspfeifen.

Reinhard Keck

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