AZ-Analyse: Nicht nur sechs Minuten Blackout
München - Nach dem 1:1-Lethargie-Remis gegen Arminia Bielefeld versprachen sämtliche Spieler und Funktionäre des TSV 1860: So einen Auftritt darf und wird es nicht mehr geben! Was folgte? Eine 1:3-Pleite beim Karlsruher SC, die erneut mit Schrecken offenbarte, dass es bei den Löwen in vielen Bereichen weit fehlt. Keine Versprechungen, sondern die richtige Einstellung, Leidenschaft, Kampfgeist und Laufbereitschaft braucht es im Abstiegskampf - sonst wird es nichts mehr mit einem erneuten Happy End im Abstiegskampf.
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Das Spiel: Die Löwen begannen schwach und mussten in der Anfangsphase zusehen, forsche Karlsruher in den Griff zu kriegen. Die Führung kam aus dem Nichts - und danach verpasste es die Elf von Trainer Benno Möhlmann, die kurze Schockstarre des KSC auszunutzen. Stattdessen zogen sich die Sechzger weiter zurück und versuchten, die Führung zu verwalten. Die Hausherren brauchten kurz vor der Pause nur sechs Minuten und 23 Sekunden, um die Verhältnisse gerade zu rücken. Unter dem Strich ware diese Führung hochverdient. Im zweiten Durchgang versuchte Möhlmann, mit dem jungen Sertan Yegenoglu anstelle des unsichtbaren Torjägers Rubin Okotie für Stabilität zu sorgen, seine Mannschaft blies aber nicht zur Aufholjagd, sondern ergab sich seinem Schicksal.
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Die Tore: Einmal mehr war es Sascha Mölders, der die Löwen in Führung schoss: In der 14. Minute segelte eine Freistoßflanke von Spielmacher Michael Liendl von der rechten Seite in den Strafraum, der Winter-Neuzugang schlich sich im Strafraum clever frei und stand plötzlich völlig frei vor KSC-Keeper Rene Vollath. Der Ball von Liendl kam punktgenau und Mölders, der musste den Fuß nur noch hinhalten und traf volley zur blauen Führung. Die hatte aber nur rund 20 Minuten Bestand: Dimitrios Diamantakos traf nach Zuspiel von Hiroshi Yamada zum 1:1 (34.), weil beide Außenverteidiger bei dem schnellen Angriff der Hausherren gepennt hatten. Umso schneller legte der KSC nach: Nach einer Ecke von Enrico Valentini köpfte Manuel Gulde die Kugel vom Elfmeterpunkt in den Winkel (35). Löwen-Keeper Stefan Ortega war früh in der Luft, segelte aber nur noch hinterher - dem Keeper fehlten ein paar Zentimeter. Wieder nur drei Minuten später schockten die Badener die Löwen erneut: Nach einem Foul von Kapitän Christopher Schindler an Yamada verwandelte Valentini den fälligen Strafstoß und ließ Ortega mit dem einem wuchtigen Schuss in die linke Ecke keine Abwehrchance.
Das war gut: Standard-König Michael Liendl hat erneut zugeschlagen, die Kombination Standard Liendl - Vollstrecker Mölders funktionierte erneut: Der bullige Stürmer traf nach einem ruhenden Ball zum 1:0. Vierter Saisontreffer des Ex-Augsburgers, zu zweiten Mal hieß der Vorbereiter Liendl. Und der Österreicher bewies erneut, dass seine Freistöße eine Waffe und die Löwen wenigstens in einer Disziplin Liga-Primus sind - zum Leidwesen der Löwen reichte diese eine Szene bei weitem nicht aus, um etwas Zählbares aus dem Wildpark mitzunehmen.
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Das war schlecht: Die Löwen lieferten einmal mehr einen erschreckend schwachen Auftritt in vielerlei Hinsicht. 9:18 Torschüsse, weniger Ballbesitz, weniger gelaufen, dafür deutlich mehr Fehlpässe - auch statistisch sprach so gut wie nichts für Sechzig. Spielerisch lief fast gar nichts zusammen, aus dem Spiel heraus ist man nicht dazu in der Lage, den Ball vor das gegnerische Tor zu tragen, um überhaupt einmal Chancen aus dem Spiel heraus kreieren zu können. Die Akteure müssen sich auch hinterfragen, mit welcher Einstellung sie zu Werke gegangen sind: Anfangs ließen sie sich den Schneid abkaufen, gingen dennoch in Führung und verpassten es komplett, danach mit dem Selbstbewusstsein des 1:0 nachzulegen und den KSC unter Druck zu setzen. Nach dem dreifachen Schock gab's kein Aufbäumen, sondern kollektive Fassungslosigkeit - und nicht mehr als ein, zwei Schüsse mit dem Mute der Verzeiflung. Auch, wenn sich der KSC zeitweise in einen Rausch spielte: Die Leistung der Löwen hatte phasenweise kein Zweitliga-Niveau.
Die Szene des Spiels: Hauptverantwortlich für die bittere Pleite war freilich der Sechs-Minuten-Blackout vor der Pause: In kürzester Zeit schenkte der TSV die Führung her, ging gleich dreifach K.o. und ergab sich seinem Schicksal. Es wäre allerdings vermessen, nur wenige Minuten bei der Ursachenforschung heranzuziehen: Der blaue Blackout erstreckte sich hinsichtlich der Leistung und auch der Leistungsbereitschaft über 90 Minuten - denn so, wie die Löwn im Kollektiv aufgetreten sind, kann man kein Spiel gewinnen.
Das sagt 1860-Trainer Benno Möhlmann: "Das war ein großer Rückschritt – nicht nur vom Ergebnis, sondern auch von der Leistung her. Wir haben in der ersten Halbzeit nicht den Eindruck gemacht, dass wir das Spiel gewinnen wollten. Heute haben wir keine Kompaktheit reinbekommen, sind nicht energisch genug in die Zweikämpfe gegangen. Insgesamt haben wir viel zu mutlos und ängstlich agiert. So sind wir dann nach einer Führung mit 1:3 in die Kabine gegangen. In der zweiten Hälfte wollten wir mehr Stabilität bekommen. Das hat dann auch geklappt. Vielleicht hätten wir mit etwas Glück den Anschlusstreffer erzielen können. Aber letztlich war es zu wenig, was wir nach vorne gezeigt haben. Das werden wir sehr intensiv aufarbeiten müssen, um so einen Auftritt in der Endphase nicht nochmal hinzulegen."
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Das sagt KSC-Trainer Markus Kauczinski: "Wir waren von Anfang an gut im Spiel. Das Gegentor war dann schon ein kleiner Schock für uns, vor allem, weil wir auf die guten Standards der Sechzger eingestellt waren. Die Mannschaft hat sich aber dadurch nicht von ihrem Plan abbringen lassen und in der entscheidenden Phase vor der Pause die Tore gemacht. In der zweiten Halbzeit waren wir nicht mehr so druckvoll, aber wir haben das Spiel weiterhin kontrolliert. Der Sieg war am Ende absolut verdient. Endlich konnten wir den sogenannten Heimfluch beenden. Den Sechzgern wünschen wir alles Gute, denn bekanntermaßen pflegen wir gute Beziehungen nach München."