AZ-Analyse: Last-Minute-Dusel und drei Einzelkönner
Der TSV 1860 hat am Samstagabend in letzter Minute den Einzug in die zweite Runde des DFB-Pokals geschafft. Die Löwen landeten gegen den KSC nicht nur wegen des späten 2:1-Siegtreffers einen glücklichen Sieg - die AZ-Analyse.
München - Wenn das mal kein packender Pokalfight war: Die Löwen haben den Karlsruher SC am Samstagabend in allerletzter Sekunde mit 2:1 besiegt. Nach dem Torjubel der Blauen war Schluss - und nun winkt die zweite Runde. Stefan Aigner und Karim Matmour waren es, die den glücklichen Erfolg der Sechzger unter Dach und Fach brachten.
Das Spiel: Sechzig begann engagiert, musste sich aber bald dem Druck der Gäste beugen. Zur Pause hatten die Löwen Glück, nicht schon in Rückstand zu liegen. Nach dem Seitenwechsel zunächst dasselbe Bild, ehe Aigner seinen Herzensverein erlöste. Der Führungstreffer sorgte allerdings nicht für Sicherheit auf Seiten der Blauen, sondern eröffnete eine spektakuläre Schlussphase, in welcher der KSC schnell den Ausgleich erzielte, sich nach zahlreichen Chancen auf beiden Seiten aber mit dem Schlusspfiff geschlagen geben musste.
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Die Tore: Karim Matmour war es, der die Kugel vor dem 1:0 nach vorne trieb. Der Neu-Löwe bediente Kapitän Aigner mit einem Querpass, der blieb cool, schlug einen Haken und ließ somit KSC-Keeper Dirk Orlishausen ins Leere hechten. Aigner musste nur noch einschieben - 1:0 (60.). Die Freude währte allerdings nur kurz: Nach einer Torres-Flanke von der rechten Seite verpasste Milos Degenek in der Mitte, Diamantakos vollendete mit einem trockenen Schuss aus kurzer Distanz unter den Querbalken (67.). Als alles für eine Verlängerung angerichtet war, fasst sich Aigner nochmal ein Herz, marschierte den rechten Flügel entlang und spielte eine präzise Hereingabe in den Fünfmeterraum. Dort war Matmour eingelaufen und bedankte sich mit einem Abstauber (90.+2).
Das war gut: Zu allererst: Die Löwen kämpften. 57 Prozent der Zweikämpfe entschied die Elf von Trainer Kosta Runjaic für sich - nur so kann man einer Mannschaft begegnen, die phasenweise die reifere Spielanlage zeigte und die besseren Chancen hatte. 20 eigene Torschüsse bewiesen allerdings auch, dass bei den Löwen im Vorwärtsgang mehr zusammenlief als in den letzten beiden Begegnungen. Am Ende muss auch drei Einzelkönnern ein Lob ausgesprochen werden, während das Kollektiv weiter in der Findungsphase ist: Neben Aigner und Matmour, die sich bei den beiden Toren gegenseitig bedient hatten und damit jeweils einen Treffer wie Assist beisteuerten, verdiente sich auch Torhüter Jan Zimmermann durch eine starke Leistung Bestnoten.
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Das war schlecht: Krebs, Torres, Valentini - sie alle durften vollkommen frei vor Zimmermann auftauchen, auch Ex-Löwe Moritz Stoppelkamp hatte seine Szenen - in der Defensive hatten die Sechzger angesichts 17 Gäste-Torschüsse wahrlich nicht alles im Griff. Vielmehr großes Glück, dass Zimmermann und die miese Chancenverwertung der Gäste einen Rückstand und mögliche weitere Treffer verhinderten. Die Viererkette um Vizekapitän Jan Mauersberger und auch Spielmacher Michael Liendl, der erneut als verkappter Sechser auflaufen durfte, hatte mehr zu tun, als den Protagonisten lieb sein konnte.
Die Szene des Spiels: Zwei Minuten Nachspielzeit waren längst angezeigt, da ging Aigner durch den Kopf, wie er hinterher konstatierte: "Ich hatte keinen Bock auf Verlängerung." Der Rest ist bekannt: Aigner auf Matmour, Füßchen hingehalten - und kollektiver Freudentaumel anstelle von weiterem Bangen in der Verlängerung.
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Kosta Runjaic (Trainer TSV 1860): "Das war einer der schönsten Siege als Trainer. Wir haben phasenweise ein gutes Spiel gesehen, beide Mannschaften haben auf Sieg gespielt. Es gab viele Chancen auf beiden Seiten. Es war nicht unverdient, hätte aber auch anders laufen können. In der zweiten Halbzeit haben wir ein bisschen gewackelt, habe das Spiel von außen als sehr intensiv wahrgenommen. Ich hatte das Gefühl, dass wir noch ein Stück weit nachlegen konnten. Es war ein etwas glückliches Tor am Ende, aber man muss fairerweise sagen: höchste Qualität, wie „Aiges“ den Ball ins Zentrum bringt. Bei Matmour hat man den großen Willen gesehen, noch den Weg ins Zentrum zu machen. Zwei Siege in einer Woche – so kann es weitergehen."
Thomas Oral (Trainer KSC): "Es war eine der bittersten Niederlagen, die ich in den letzten Jahren erleben durfte. In der ersten Halbzeit hatten wir drei, vier richtige gute Torchancen, in der zweiten Halbzeit wussten wir, dass Sechzig versuchen wird, vorne draufzugehen – das haben sie gemacht und ein Tor aus dem Nichts erzielt. Meine Mannschaft ist super zurückgekommen, hatte die ein oder andere Möglichkeit. Wir wussten um die Gefahr, dass Sechzig mit Olic, Matmour und Aigner richtig gute Fußballer hat, auch Adlung und Liendl - und immer ein Tor schießen kann. In der letzten Minute vor dem Abpfiff sind wir im Ballbesitz, geben ihn leichtfertig her und schaffen es nicht, die letzte Minute konzentriert zu überstehen. Für Sechzig ein glücklicher Sieg, aber nicht unverdient, weil sie die Chancen eiskalt genutzt haben."