Aufstiegsfluch beim TSV 1860: Das fehlt den Löwen zum großen Wurf
München - Wann ist bei den Löwen eine Saison gelaufen? Wann ist sie eine Erfolgsstory? Im dritten Jahr Aufstiegskampf hintereinander, bei all den Erwartungen rund um Giesings Höhen kann es für diese Frage nur eine Antwort geben.
Nach dem 2:3 des TSV 1860 im Duell der Jäger gegen den VfL Osnabrück gilt auch im dritten Jahr in Serie: Aufstieg? Ausgeträumt.
"Es ist zwar enttäuschend, weil jeder das Gefühl hat bei Sechzig, dass wir mit rasenden Schritten der Ersten Liga entgegeneilen müssen. Am Ende bist du aber eine von acht bis zehn Mannschaften, die um den Aufstieg kämpft", sagte Trainer Michael Köllner am Dienstag und fragte sich: "Ist Erfolg nur, wenn man aufsteigt?"
Die AZ zeigt, was 1860 zum großen Wurf fehlt - und weshalb sich da langsam aber sicher ein blauer Nichtaufstiegsfluch entwickelt.
Ein Dutzend Punkte: Am Ende werden den Löwen etwa ein Dutzend Punkte zum Aufstieg fehlen. 2019/20 waren es neun, in der Spielzeit 2020/21 nur deren fünf. Letztlich gilt es für Köllner, neidlos anzuerkennen: Die Konkurrenz aus Magdeburg (69 Punkte), Kaiserslautern (63) und eventuell Eintracht Braunschweig, mit 61 Punkten auf Relegationskurs, war erneut schlicht besser.
TSV 1860: Immerhin bleibt Platz vier in Reichweite
"Mein Kummer hat sich wegen der Ergebnisse der Konkurrenz in Maßen gehalten", meinte Köllner im Hinblick auf ausbleibendes Nervenflattern: "Da hätten uns wohl auch die 66 Punkte aus der Vorsaison nicht gereicht." Kleiner Trost: Dank dem Osnabrücker 3:3 gegen Halle bleibt Platz vier in Reichweite.
Glückliche Umstände: "Wenn Sechzig aufsteigen will, müssen sich viele Dinge glücklich fügen", erkannte Köllner: "Das ist in dieser Saison leider nicht passiert."
Los ging's schon mit der Bürde der Favoritenrolle, über die Köllner alles andere als jubilierte. Der 52-Jährige nannte auch "fehlende Abgezocktheit" als Grund: Marcel Bär (15 Tore) hat sich zwar zum Top-Torjäger entwickelt, könnte bei besserer Chancenverwertung aber längst an Magdeburgs Baris Atik (18) vorbeigezogen sein.
Der TSV 1860 kassiert zu viele Tore für den Aufstieg
Problematischer ist, dass 1860 sonst keinen echten Knipser hat und Stefan Lex (5), Richard Neudecker (6), Merveille Biankadi (7) sowie Tim Linsbichler (0) allesamt unter ihren Möglichkeiten blieben.
Apropos Lex. "Ich gehe tatsächlich davon aus, dass es Stand jetzt nächstes Jahr mein letztes Jahr ist", meinte der Kapitän bei "Magenta Sport" und schob hinterher: "Von daher starten wir nächstes Jahr einen Angriff, der hoffentlich positiv endet."
Deutlich fällt auch ins Gewicht, dass 1860 auch dank einer öfter wackligen Abwehr bereits satte 43 Gegentreffer kassiert hat. Zu viele für ganz oben. Köllner führte zudem das leidige Thema der Schiedsrichter-Entscheidungen sowie "Spielglück" an.
Qualität und Breite im Kader: Der schleichende Abstieg von Torschützenkönig Sascha Mölders, mehrere Dauer-Verletzte, Corona-Infektionen, ausbleibende Neuzugänge: Letztlich fehlte den Giesingern eine gewisse Prise Qualität, um den großen Wurf zu schaffen.
"Wir mussten viele Entscheidungen treffen, die wir so nicht treffen wollten", sagte Köllner wohl hauptsächlich im Hinblick auf Mölders, dessen Aus in der Winterpause nicht kompensiert worden war. Auch Neuzugang Yannick Deichmann konnte fast die gesamte Saison nicht auf seiner eigentlichen Position eingesetzt werden. Köllner über die zwei bittersten Langzeit-Ausfälle: "Marius Willsch ist uns fast ein Jahr lang ausgefallen, Daniel Wein ein halbes Jahr."
Konkurrenz rüstet im Winter auf – der TSV 1860 muss sparen
Durch mehrere Corona-Fälle, etwa nach dem Pokalduell gegen den KSC, beim 0:3 in Mannheim und der Herzmuskelentzündung von Keanu Staude fehlten immer wieder Akteure. "Es gibt eine zweite Meisterschaft", meinte Sport-Boss Günther Gorenzel im Winter über die Pandemie. Er sollte recht behalten.
Ein aufstiegsreifer Etat: Fünf Millionen Euro klingen nicht schlecht, doch die Giesinger liegen damit im Etat-Ranking nur im oberen Mittelmaß. Köllner stellt gerade beim Thema Winter-Neulöwen klar: "Kaiserslautern hat im Winter Terrence Boyd geholt, das ist ein Paket von 1,5 Millionen. Da braucht man keine Märchen zu erzählen: Solche Spieler können wir uns nicht leisten."
Beim TSV müsse man "die Mittel klug einsetzen". Hier könnte 1860 durchaus schrauben: Weniger Spitzengehälter zahlen, mal wieder eine Ablöse einspielen oder ein Leih-Schnäppchen machen - wie wär's, Herr Gorenzel? Oder eben doch noch aufsatteln, doch hier wären in erster Linie Investor Hasan Ismaik (Kohle) und Präsident Robert Reisinger (Kursabkehr) gefragt. Positiv: Reisinger stellte sich im "Merkur" erneut hinter Köllner, dessen Zukunft nicht offen ist.
Dem TSV 1860 fehlt noch immer ein zweitligataugliches Stadion
Ein zweitligataugliches Stadion: Dieser Faktor bleibt bei vielen Löwen ob der Giesinger Folklore gerne außen vor. Aber: Sechzig fehlt zur Zweiten Liga auch ein zweitligataugliches Stadion. Einfache Rechnung: mehr Einnahmen im Geldbeutel, höheren Etat für den Sport. Finanzboss Marc-Nicolai Pfeifer hat kürzlich im Vergleich mit der Konkurrenz einen Wettbewerbsnachteil von über 1,5 Millionen Euro im Grünwalder Stadion ausgemacht.
Die Hoffnung auf einen rentablen Ausbau stirbt zuletzt, doch die Aussicht auf mehr Profit ohne deutliche Mieterhöhung der Stadt ist wohl genauso unwahrscheinlich wie eine längerfristige Ausnahmegenehmigung der DFL. Bleiben kurzfristig die Stellschrauben Ticketpreise und Sponsoren, um dem Nichtaufstiegs-Fluch vielleicht in der nächsten Saison zu trotzen...