Aufsichtsratschef Steiner: "Ismaik will die Kontrolle haben"

AZ: Herr Steiner, nach vielen Monaten voller Angst und Ungewissheit steht die Rettung für 1860 unmittelbar bevor. Sie reisen aber erst mal zum Champions-League-Finale nach London. Belohnen Sie sich nach der belastenden Zeit selbst?
OTTO STEINER: So könnte man es sehen, ja. Aber nein, das hat nur mit Geschäftskontakten zu tun, ich war schon öfters beim Finale.
Auch 1860-Investor Hasan Ismaik wird beim Endspiel in London sein. Sollten Sie ihn treffen, sagen Sie ihm dann ’Hallo, ich bin's, Ihr Vorgänger als Aufsichtsratsvorsitzender beim TSV 1860?’
(lacht) Nein, da ist kein Treffen geplant, ich kenne ihn ja auch gar nicht, da es sein ausdrücklicher Wunsch gewesen war, nur mit Dieter Schneider und Robert Schäfer zu kommunizieren. Sollten wir uns aber im Wembley-Stadion mal über den Weg laufen, werde ich ihn bestimmt mal ansprechen. Ich denke aber nicht, dass Ismaik persönlich den Vorsitz des Aufsichtsrats im Auge hat. Weil er dazu dann doch sehr regelmäßig in München sein müsste. Er wird eher einen Mann seines Vertrauens operativ einsetzen.
Wie schwer war es eigentlich für Sie, in den letzten Wochen den Durchblick zu behalten über das, was bei 1860 passiert?
Wir hatten bestimmt mehr als zehn einzelne Vertragsentwürfe auf dem Schreibtisch. Das waren immer jeweils 25 Seiten. Dafür braucht man schon mal ein paar Stunden, wenn man sie akribisch durchsehen will. Wir haben zum Glück einige Juristen im Aufsichtsrat, die die ganzen Feinformulierungen kennen. Da geht's manchmal um Dinge, die ein normaler Mensch gar nicht verstehen kann.
Nun wird der Aufsichtsrat von neun Personen auf sechs verkleinert, drei Kontrolleure stellt der Investor. Steht schon fest, wer den Rat verlässt?
Nein, aber es war bekannt, dass dass jeder von uns bereit sein muss, auf sein Amt zu verzichten, wenn durch den Einstieg eines Investors neue Strukturen geschaffen würden. Wenn Gremien schlanker werden, muss man genau überlegen, welche Leute am geeignetsten sind.
Wie sieht es mit Ihnen aus, bleiben Sie?
Auf keinen Fall als Vorsitzender. Das geht in der neuen Struktur nicht, da wird der Investor den Vorsitzenden besetzen. Das ist für mich aber auch nachvollziehbar. Er will die Kontrolle haben, das ist die logische, faktische Konsequenz aus seinem großen Investment. Ob ich persönlich Mitglied eines neu gebildeten Gremiums sein werde, steht noch nicht fest.
Wenn Sie über die Löwen reden, bekommt man das Gefühl, Sie wollen gar nicht wirklich aufhören. Ein Amt ist ja noch frei, das des Vizepräsidenten.
Darüber wurde bisher noch gar nicht gesprochen. Ich will mich auch an keinen Spekulationen beteiligen, das würde nur Druck aufbauen. Klar würde man schon gerne in irgendeiner Funktion auch weitermachen, nachdem die Rettung mit viel Leidenschaft realisiert wurde. Was das Amt des Vizepräsidenten betrifft, sollte niemand Dieter Schneider reinreden, das ist allein seine Entscheidung als Präsident.
Muss man nun fürchten, dass es um 1860 langweilig wird, wenn es keine ständigen Panikmeldungen mehr gibt?
Im Gegenteil, endlich kann mal gestaltet werden, das ist eine Riesenchance. Wir haben ja jahrelang nur reagiert, nur Feuer gelöscht. Das war reines Krisenmanagement. Normal trifft sich ein Aufsichtsrat sechs Mal im Jahr, aber wir haben uns alleine im letzten halben Jahr mehr als 20 Mal getroffen. Jetzt kann dieses Gremium endlich mal neue Visionen und überlegen, wie man diese starke Marke wirklich ausbauen kann.
Sie sprechen schon von Visionen?
Erst mal geht's darum, schwarze Zahlen zu schreiben. Und darum, in absehbarer Zeit in die Erste Liga aufzusteigen. Als weitere Vision sehe ich die Stadionfrage. Der Wunsch der Fans nach einer eigenen Heimat und eigener Identität ist ein Thema, das automatisch auch im neuen Gremium zu den Tagespunkten gehören wird. Nicht sofort. Aber für mich, und das sage ich als Fan, wird man an dieser Geschichte nie vorbeikommen.