Asyl für Bayern-Fans — im Löwenstüberl!
MÜNCHEN - Die Münchner Löwen als Verein zum Anfassen: Die blaue Klubgaststätte bleibt offen! »Sowas würde es bei 1860 nicht geben«, reagiert man an der Grünwalder Straße auf die angekündigte Schließung der Vereinsgaststätte des Lokalrivalen.
Die AZ mit der Schlagzeile „Klinsi sperrt die Fans aus“ liegt auf dem Stammtisch im Löwen-Stüberl. „Das ist typisch Bayern“, sagt Christl Estermann, die Wirtin des „Löwenstüberls“ an der Grünwalder Straße. „Uns Blauen kann das ja eigentlich egal sein“, meint sie noch, „aber das ist der Grund, warum die Stadt nicht rot, sondern blau ist.“
Die Vereinsgaststätte zu schließen, die Fans auszusperren, wie es der FC Bayern unter Jürgen Klinsmanns Regie jetzt plant? „So was würde es bei Sechzig nicht geben“, sagt Estermann, die seit 1996 die Kult-Gaststätte des TSV 1860 betreibt. „Wir sind der Verein zum Anfassen. Unsere familiäre Atmosphäre macht den Unterschied zum FC Bayern aus. Wir sind nicht die Großkopferten, wir stehen mit beiden Beinen auf der Erde.“ Für Estermann ist das Löwenstüberl die beste Anlaufstelle für alle Blauen. „Viele Fans vergessen bei mir ihre Sorgen: Hier können sie mit ihren Freunden über den Fußball diskutieren. Die Rentner, die Fans, sie kommen bei Siegen oder Niederlagen.“ Hier im volkstümlichen Löwen-Stüberl wird gekartelt, getrunken – aber auch mal laut sich gezofft. Typisch Sechzig halt. Estermann: „Für viele ist mein Stüberl auch eine Heimat – ich nenne es gerne das blaue Wohnzimmer.“
Unvergessen: Lorants „Expresso“-Show
Ex-Trainer Werner Lorant hat hier immer noch seinen Stammplatz – direkt neben der Schänke. Von dort aus führte er neuneinhalb Jahre seine unvergessliche „Expresso“-Show auf: Lorant grantelte, fluchte, lobte und trank starken Kaffee. „Lorant ist immer noch Kult bei uns“, sagt Estermann fast wehmütig. Der wilde Werner war die Attraktion im Löwenstüberl.
Geliebt, gefürchtet. Seine Nachfolger trauen sich auch heute noch nicht in Lorants Lieblingsecke, Marco Kurz aber schaut wenigstens ab und zu mal bei der Christl vorbei. „Der Marco kommt manchmal zum Frühstücken“, erzählt Estermann. „Er setzt sich aber dahin, wo er schon als Spieler saß – ein paar Meter weg von Lorants Platz.“ Auch die Spieler lassen sich oft blicken. Berkant Göktan etwa schaut jeden Tag vorbei, und wenn er nicht gerade was verzehrt, dann drückt er der Wirtin eine Bussi auf die Backe. Das ist typisch Sechzig.
Selbst Geschäftsführer Stefan Ziffzer zählt zu den Gästen in der 1860-Stube: „Er kauft sich oft eine Käsesemmel“, verrät Estermann, und es kommt dann schon mal vor, dass die Fans Ziffzer mit Fragen bohren. Selbst Jens Jeremies drückte noch lange Heimweh ins Löwen-Stüberl, auch als er schon für die Bayern spielte: „Der Jerry ist noch lange danach zu uns gekommen. Auf unsere Fleischpflanzerl wollte er einfach nicht verzichten“, sagt die Christl.
Asyl für die Roten
Das Löwenstüberl, ein Ort der Zusammenführung. Deswegen will Estermann, wenn der FC Bayern seine Gaststätte im Mai zusperrt, den Roten sogar Asyl gewähren: „Notfalls würde ich bei mir auch Bayern-Fans reinlassen. Vielleicht geht ihnen dann mal ein Licht auf, dass 1860 der viel bessere Verein ist.“
Oliver Griss