ARD-Doku über Absturz: "Verkettung unglücklichster Umstände"
München - Das letzte Punktspiel des TSV 1860 hat Allesfahrer Fritz Fehling 1972 verfehlt. "Jetzt fahr’n mir nach Garching, Unterföhring, Eichstätt, Ostfriedhof - was weiß ich, wo wir hinfahren…", klagt er. Dauerfan-Kollege Franz Hell erklärt, wie sein Herzensverein ("Sechzig ist mein Leben") sogar über seine Ehe ging. Jetzt haben beide nach dem Absturz der Sechzger den schweren Gang in die Regionalliga angetreten.
Mölders: Einst große Arenen, jetzt kleine Stadien
In der ARD-Dokumentation "Nie mehr Erste Liga? Traditionsvereine nach dem Absturz" widmete sich der TV-Sender am späten Dienstagabend neben RW Essen und dem 1. FC Magdeburg in einem ausführlichen Beitrag den Sechzgern. "Wir haben jetzt jede Woche Heimspiel, die Fans sind der Wahnsinn. Klar sind es jetzt kleine Fußballstadien, vorher waren es große Arenen. Aber mir ist das egal. Es ist auch schön. Ich bin jetzt 32, mir macht Fußball einfach Spaß", sagt Sascha Mölders darin am Rande des Auswärtsspiels beim VfR Garching (3:0) in die Kamera und kann damit bei den Fußball-Romantikern punkten. Doch war's das mit Sechzig und Profi-Fußball?
Allesfahrer Hell: "Wir müssen aus der Liga raus!"
"Ehrlicher Fußball hin oder her - man spielt Fußball, weil man gewinnen will", stellt Allesfahrer Hell seine Ansichten klar und blickt auf die komplizierte Beziehung zum Geldgeber der Sechzger: "Auf lange Sicht wird man sich entweder mit Hasan Ismaik arrangieren müssen, oder, wenn er seine Anteile verkauft, mit einem anderen Investor. Der Aufstieg wäre sehr, sehr schön, wir müssen aus der Liga raus! Nicht nur in die Dritte Liga, sondern in die Zweite oder Erste Bundesliga!"
Neue Erkenntnisse liefert der Beitrag dagegen kaum. „Sportlich und wirtschaftlich sind ein paar Dinge zusammengekommen, die Verkettung unglücklichster Umstände haben uns da hingeführt, wo wir jetzt geendet haben", sagt Präsident Robert Reisinger und erklärt über die ungewisse Zukunft mit Ismaik: "Wir sind in konstruktiven Gesprächen und dabei wollen wir es jetzt auch belassen.“
Kritik an Sechzigs Modell mit Ismaik
Die Tatsache, dass Sechzig das Kunststück vollbrachte, mit einem millionenschweren Geldgeber abzusteigen, beschäftigt auch die beiden anderen Klubs. "Ohne die Interna bei 1860 zu kennen, aber das was man hört, ist man nicht ganz so glücklich mit Herrn Ismaik gefahren. Das ist nicht das Modell, was wir anstreben", sagt Essens Vorsitzender Prof. Dr. Michael Welling. Es gebe aber "andere Modelle, die vielleicht seriöser und auf Dauer tragfähiger sind und zu RW Essen passen."
"Wenn wir sehen, was bei 1860 München passiert ist, kann man den Verein nur bedauern. Ein Mäzen, der Geld gibt, kann sehr wichtig sein - aber nur, wenn er sich aus dem Entscheiderkreis heraushält", so Magdeburgs Präsident Peter Fechner, der auf RB Leipzig und die TSG Hoffenheim als funktionierende Modelle erweist: "Aber ab dem Moment, wo einer meint, sich einmischen zu müssen und vielleicht noch die Mannschaft zusammenstellen zu müssen, geht das 100 Prozent schief."
Kulttrainer Lorant: "Das dauert ein paar Jahre"
Bleibt Kult-Trainer Werner Lorant, der an seinem derzeitigen Wohnort auf einem Campingplatz in Waging am See grantelt: "Das haben ich ja vor drei Jahren schon gesagt: Ihr könnt euch nicht von einem Investor bestimmen lassen oder abgängig machen. Weil wenn der mal aufhört, dann ist es vorbei - dann fängt man ganz unten an, so wie jetzt. Das ärgert mich eigentlich am meisten. Das dauert ja wieder ein paar Jahre. Das sind Jahre, in der die nächste Fan-Generation weggeht." Bleibt abzuwarten, wann und ob dieser einst so ruhmreiche Traditionsverein (jemals) wieder erstklassig spielen wird.