Alpenplatz, Heinrich-Zisch-Stadion, Sechzger

Ein Uhrmacher mietete den Platz einst an – und bis 1963 lebten die Platzwarte im Stadion.
München - Ohne ihn wären die Löwen vielleicht nie in Giesing heimisch geworden: Wilhelm Hilber, Uhrmachermeister aus der Au und Halbstürmer in der 3. Mannschaft. Er hatte bereits 1908 ein Grundstück am Giesinger Alpenplatz als Fußballplatz für die Sechziger gepachtet und sorgte auch nach der Kündigung dieses Pachtvertrags im Frühjahr 1911 für eine neue Bleibe. Verpächter war erneut die Erbengemeinschaft des Bauern Peter, die dem Verein eine 2,5 Hektar große Wiese an der Grünwalder Straße zur Verfügung stellte. Es sollte der fünfte Umzug in der zwölfjährigen Geschichte der 1860-Fußballer sein, aber auch für lange Zeit der letzte.
Fußball-Abteilungsleiter war damals ein gewisser Heinrich Zisch. Der kaufmännische Angestellte hatte nach seiner aktiven Zeit die Funktionärskarriere eingeschlagen und wurde 1924 Präsident. Er betrieb 1922 den Kauf des Platzes und in den Jahren 1925/26 dessen Ausbau zu Münchens erstem Stadion. Ein Jahr später wurde die Spielstätte in Heinrich-Zisch-Stadion umbenannt.
Aus dem Stadion war nach der Übernahme durch die Stadt München im Jahr 1939 zunächst der „Städtische Sportplatz an der Grünwalder Straße” und ab Frühjahr 1941 die Hanns-Braun-Kampfbahn geworden. Der 1886 als Johann Braun geborene Bildhauer war als Mittelstreckenläufer für den Münchner SC gestartet und konnte bei den Olympischen Spielen 1908 eine Bronzemedaille und 1912 eine Silbermedaille gewinnen. Auch an der Eröffnung des Sechzger-Platzes im Frühjahr 1911 hatte er teilgenommen. Braun starb 1918 in den letzten Kriegstagen des 1. Weltkriegs bei einer Flugzeugkollision. Im Münchner Olympiagelände benannte man 1972 eine Brücke nach ihm, aus dem Namen der Spielstätte auf Giesings Höhen war Braun dagegen seit Ende des 2. Weltkriegs wieder verschwunden.
Für den Ausbau von Ost- und Westkurve in den Jahren 1958 bis 1961 verpflichtete die Stadt mit Professor Rudolf Ortner einen bekannten Experten auf dem Gebiet der Sportstättenplanung. Der Architekt hatte in den letzten Jahren des Bauhauses in Berlin studiert. Nach dem Krieg lehrte Ortner selbst an mehreren Hochschulen, unter anderem an der TU München. Für die künstlerische Gestaltung der neuen Ostkurve arbeitete er mit dem Bildhauer Joachim Berthold zusammen, der in der Betonfassade an der Volckmerstraße einen Fries mit abstrahiert dargestellten Sportlern schuf. Berthold hatte in Köln und an der Münchner Akademie studiert und machte danach als freischaffender Bildhauer Karriere.
Zwei Jahre nach Fertigstellung des Ausbaus ging dann eine Ära zu Ende: die der Stadion-Bewohner. Dass in der 1925 gebauten Sitztribüne einmal Wohnungen vorhanden waren, mag für Kenner der kleinen Tribüne mit ihren beengten Platzverhältnissen heute unvorstellbar sein. Doch anfangs standen in der Haupttribüne Wohnungen für die Wirtsleute und den Platzwart zur Verfügung. Während die Wirtswohnung nur bis 1929 genutzt wurde, war die Platzwartwohnung bis 1963 in Gebrauch, ehe zur Einführung der Bundesliga die Mannschaftskabinen erweitert wurden. Platzwart Johann Wenzel war der letzte Bewohner des Stadions.
Der Platzwart mit der längsten Amtszeit im Sechzger war von 1973 bis 2002 Alfons Reger. Der „Fonsä” kümmerte sich stets liebevoll um die Spielstätte. Oft kamen auch unter der Woche Besucher vorbei, „darunter viele Urlauber, die wollten das Sechzger sehen, so wie man ein berühmtes Bauwerk anschaut”, berichtete Reger. „Die durften auch mal über den Lautsprecher was sagen, und wenn es dunkel war, habe ich sie auch mal das Flutlicht einschalten lassen. Das vergessen die doch ihr Leben nicht.”
Und auch zwei Nachbarn des Stadions erlangten überregionale Bekanntheit: die Blendingers. Deren Wohnzimmer mit Blick aufs Spielfeld wurde in der Nachkriegszeit, als die Umkleiden im Stadion noch nicht wieder hergerichtet waren, sogar einmal zur Mannschaftskabine – und in den 1960er Jahren zum begehrten Logenplatz für Freunde und Bekannte. Um ja kein Spiel des damals groß aufspielenden TSV 1860 zu versäumen, reisten die Blendingers sogar einmal früher aus dem Italien-Urlaub zurück. Vor einigen Jahre verstarb Hans Blendinger, seine Frau Wally musste 2005 ihre Wohnung verlassen und in ein Altenheim umziehen.