Interview

Alex Schmidt im AZ-Interview: "Endlich bekennt Sechzig Farbe"

Der ehemalige Trainer von 1860 und Dresden spricht in der AZ über das Duell der beiden Drittliga-Größen. Er erklärt auch, welches Manko die Löwen behoben haben - und was sie zum Start bei Dynamo erwartet.
von  Matthias Eicher
Neues Selbstbewusstsein: Trainer Köllner und die Löwen bekennen nun Farbe.
Neues Selbstbewusstsein: Trainer Köllner und die Löwen bekennen nun Farbe. © sampics / Stefan Matzke

München - AZ-Interview mit Alexander Schmidt: Der 53-jährige Trainer der Kickers Offenbach arbeitete zwischen 2007 und 2013 als Jugendtrainer und Chefcoach bei den Löwen und schaffte 2021 mit Dresden den Aufstieg in die Zweite Liga.

AZ: Herr Schmidt, am ersten Spieltag der Dritten Liga kommt es gleich zum Auftakt-Kracher: Dynamo Dresden gegen die Sechzger. Ein Spiel wie gemacht für einen Ex-Löwen wie Sie, der auch Dresden trainiert hat.
ALEXANDER SCHMIDT: Absolut. Das ist der Wahnsinn, vielleicht das beste Duell der Dritten Liga - und das gleich am ersten Spieltag! Ich werde es mir anschauen - und freue mich sehr darauf.

Es ist das Aufeinandertreffen zweier Traditionsvereine, die traditionell große Ambitionen haben. Wer ist für Sie der Favorit?
In diesem Spiel gibt's keinen, da stehen die Chancen wirklich 50:50. Dresden ist für mich aber der Topfavorit auf den Aufstieg: Ich glaube, sie gehen direkt wieder hoch.

Mit den Neuzugängen stehen die Chancen auf Aufstieg gut 

Und was ist mit den Löwen? Nach drei erfolglosen Anläufen in Serie und zuletzt zwei vierten Plätzen soll es endlich klappen.
Sechzig hat sich mit den neun Neuzugängen sehr gut verstärkt, in der Spitze - und in der Breite. Der dünne Kader war ein bisschen das Manko, das haben die Löwen nun behoben: Sie haben für mich auch gute Chancen, den Aufstieg zu packen. Mit Ingolstadt, Aue, Saarbrücken oder Mannheim ist aber noch mit einigen anderen Teams zu rechnen.

Bleiben wir bei den Sechzgern: In dieser Saison stellen sich Trainer Michael Köllner und Co. erstmals hin und sagen geradeheraus, dass sie aufsteigen wollen. Dabei wird das A-Wort im Kosmos der Löwen zumeist nur sehr vorsichtig oder gar nicht in den Mund genommen, Sie kennen das ja. Richtiger Kurswechsel?
Richtig. Endlich bekennt Sechzig Farbe. Endlich stellen sie sich hin und sagen: Wir wollen aufsteigen! Es gibt ja keinen Zweifel daran, dass es der Anspruch sein muss: Sechzig muss endlich raus aus der Dritten Liga! Und es wäre ja auch kaum mehr glaubwürdig, wenn sie sagen würden: "Wir wollen eine gute Rolle spielen!" Das kannst du ja keinem verkaufen.

"Ich hoffe mal, dass es von Saisonauftakt weg läuft, denn sonst hast du schnell großen Gegenwind", sagt Alexander Schmidt.
"Ich hoffe mal, dass es von Saisonauftakt weg läuft, denn sonst hast du schnell großen Gegenwind", sagt Alexander Schmidt. © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Auch das ganze "Drumherum" muss laufen

Andererseits hat sich Trainer Michael Köllner mit der neuen Angriffslust die Latte auch selbst ziemlich hochgelegt...
Das stimmt, zumal die Dritte Liga nie ein Selbstläufer ist: nicht für Dynamo, auch nicht für Sechzig. Wenn es bei zwei solch großen Vereinen mit dem ganzen Drumherum nicht läuft, werden die Leute schnell unruhig. Ich hoffe mal, dass es von Saisonauftakt weg läuft, denn sonst hast du schnell großen Gegenwind.

Womit wir bei Ihrem Wirken bei Dresden wären: Sie haben die Schwarz-Gelben aus der Dritten Liga ins Unterhaus geführt und auf einen Nichtabstiegsplatz. Trotzdem mussten Sie gehen - die Mannschaft gewann danach kein Spiel mehr und ist in der Relegation abgestiegen.
Also hat es wohl doch nicht an Alex Schmidt gelegen, oder? (lacht) Das war schon kurios damals: Wir lagen auf Platz 14, aber im Verein war eine große Ungeduld und Unruhe da. Die Führung dachte wohl: Da muss mehr drinnen sein, dann haben sie unter Guerino Capretti keinen einzigen Sieg mehr geholt. Das war schon bitter, auch für mich. Aber ich hätte diesem tollen Verein trotzdem den Klassenerhalt gewünscht.

Die Erwartungen bei Türkgücü waren "ziemlich unrealistisch"

Kurios ist ja, dass Sie mehr oder weniger ein Déjà Vu Ihres Trainerjobs bei Türkgücü erlebt haben.
Allerdings, dort wurde ich entlassen, obwohl wir als Aufsteiger auf Rang sechs lagen. Das war schon verrückt. Es hieß von oben (Präsident Hasan Kivran, d. Red.): "Ihr müsst durchmarschieren." Das war echt irre und ziemlich unrealistisch. Aber an dieser Stelle möchte ich Türkgücü gar nicht mit Dresden oder Sechzig vergleichen. Das sind zwei super Vereine, die Fans, die Städte leben Fußball.

Das klingt ganz danach, als hätten Sie sich nach Türkgücüs Insolvenz auch Ihre Gedanken gemacht.
Man hat gesehen, was passiert, wenn man sich gegenseitig zerfleischt. Es ist schon gut, zu sehen, dass es nicht immer nur am Trainer liegt. Wenn kein Vertrauen da ist, kannst du keinen Erfolg haben.

"Offenbach ist ein schlafender Riese"

Sie haben mittlerweile einen neuen Posten, bei Regionalligist Offenbach. Ein Verein, der Geschichte atmet. . .
...aber sich dafür auch nix kaufen kann. Seit zehn Jahren versuchen sie, aus der Regionalliga wieder hochzukommen. Genau das war der Reiz für mich: Es ist wie Sechzig ein schlafender Riese. Es gibt eine super Fanbase. Wir versuchen jetzt, das Ding zu ziehen.

Spielen wir mal Wünsch-dir-was: In wie vielen Jahren soll es zu einem Wiedersehen zwischen Ihnen als Offenbach-Trainer mit Sechzig und Dynamo geben?
Da würde ich mir wünschen, dass es nicht in der nächsten Saison passiert. Wir wollen es zwar endlich in die Dritte Liga schaffen, aber dann sind die Löwen und Dynamo hoffentlich nicht mehr da. Von daher frühestens in zwei Jahren. Der Verein will mittelfristig in die Zweite Liga, aber da will ich jetzt lieber keine großen Töne spucken.

"Dresden will um jeden Zentimeter kämpfen"

In Ordnung, kommen wir zurück zu Ihrem Duell der Duelle in der Dritten Liga: Was erwartet 1860 im Rudolf-Harbig-Stadion?
Ein Hexenkessel, der aber beide Seiten beflügeln oder lähmen kann. Die Stimmung ist schon top, das muss man wirklich sagen. Aber was die Dresdener überhaupt nicht sehen können, ist, wenn nicht um jeden Zentimeter gefightet wird. Von daher hoffe ich mal, dass es ein toller Fight wird. Mit einem spannenden 1:1 könnte ich leben - und am Ende der Saison verabschieden sich Sechzig und Dresden aus der Liga.

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