Akute Feuergefahr im Reich der Löwen

Nach der erneuten Pleite des TSV 1860 in Nürnberg rechnet Keeper Stefan Ortega ab: „Alle lachen über uns! Es muss einen Riesenknall geben.“ Die AZ zeigt die potenziellen Brandherde auf.
von  Marc Merten
Julian Weigl (m.) kann seine Enttäuschung nach der Niederlage in Nürnberg nicht verbergen
Julian Weigl (m.) kann seine Enttäuschung nach der Niederlage in Nürnberg nicht verbergen © Rauchensteiner / Augenklick

Nach der erneuten Pleite des TSV 1860 in Nürnberg rechnet Keeper Stefan Ortega ab: „Alle lachen über uns! Es muss einen Riesenknall geben.“ Die AZ zeigt die potenziellen Brandherde auf.

München - Stefan Ortega machte seinem Ärger über das 1:2 in Nürnberg kräftig Luft. Der Torhüter des TSV 1860 redete sich den Frust von der waidwunden Seele. „Alle lachen über uns“, sagte der 22-Jährige. Es müsse endlich einen „Riesenknall“ geben, alle im Verein – „von der Waschfrau bis zum Präsidenten“ – müssten nun „gnadenlos an einem Strang ziehen“.
Am Tag nach der Derby-Pleite wirkten die Worte nach. Sportchef Gerhard Poschner bezeichnete Ortegas Brandrede als „angebracht“. Sie zeigte: Bei den Löwen brennt es kurz vor Weihnachten lichterloh. Einen Spieltag vor Ende der Hinrunde steht Sechzig auf dem Relegationsplatz. Die eigenen Ansprüche? Meilenweit entfernt.
Die AZ erklärt, wo es beim TSV brennt.

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Die Mannschaft: Ortegas Aussagen waren entlarvend: Dass ein 22-jähriger Neuzugang sich traut, solch deutliche Worte auszusprechen, ist bezeichnend für den Zustand der Mannschaft. Keine Hierarchie, keine Führungsspieler, keine starke Hand, die den jungen Kader führt. Stattdessen müssen plötzlich Spieler voran gehen, die zu Saisonbeginn noch hinten anstanden.
Trainer Markus von Ahlen predigte wochenlang, es gehe um die Entwicklung der Mannschaft, dann würden sich die Ergebnisse von selbst einstellen. Aber welche Entwicklung? „Die letzten beiden Spiele waren kein Schritt nach vorne“, sagt Poschner stattdessen. Im Gegenteil: Die Mannschaft ist total verunsichert. Spieler wie Yannick Stark, Gui Vallori und Chris Schindler stehen seit Wochen neben sich. Konsequenzen gibt es keine. Eine klare Handschrift? Fehlanzeige.

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Der Trainer: „Die Trainerfrage stellt sich nicht“, behauptet Poschner. Falsch! Die Trainerfrage muss sich stellen. Zehn Pflichtspiele, sieben Niederlagen: Das ist die erschütternde Bilanz unter von Ahlen. „Einen berechtigten Einwand“ nennt Poschner die Zahlen. Doch noch ist der 45-Jährige von der Arbeit des Übungsleiters überzeugt. „Das Verhältnis zwischen Trainer und Mannschaft ist intakt.“ Klar ist aber auch: Vollführt von Ahlen in den letzten drei Spielen vor der Winterpause (Karlsruhe, Kaiserslautern, Leipzig) keine Trendwende, überwintert Sechzig auf einem Abstiegsplatz. Dann besteht für von Ahlen „akute Feuergefahr“.

„Die Spanier“: Es ist das neue Unwort an der Grünwalder Straße: „die Spanier“. Ilie Sanchez, Edu Bedia und Rodri sowie der aus Spanien zum TSV 1860 gewechselte Valdet Rama sind für viele der Beweis, dass Sportchef Poschner mehr auf persönliche Beziehungen als auf Qualität bei den Sommereinkäufen gesetzt hat. Auch Gary Kagelmacher zählt für viele dazu.

Mittlerweile hat sich im Umfeld der Sechzger fast eine Phobie gegen „die Spanier“ breit gemacht. Die Folgen sind dramatisch: Rama ist der einzige Spieler dieser „Fraktion“, der noch über Selbstbewusstsein verfügt. Sanchez, dem zuletzt Stark vorgezogen wurde, ist das jüngste Opfer. Eine gefährliche Tendenz, der der Klub entgegenwirken muss. Trainer, Mannschaft und Klub müssen die Spieler schützen. Ansonsten ist ihre Zeit bei Sechzig abgelaufen, bevor sie eigentlich angefangen hat – auf Kosten aller Beteiligten.

Das Präsidium: Entscheidend für die Entwicklung Sechzigs in den kommenden Wochen wird auch die Rolle des Präsidiums sein. Gestärkt durch seine Wahl in der Vorwoche, hält Gerhard Mayrhofer wieder alle Fäden in der Hand. Das Präsidium könnte Poschner entlassen, wenn es mit dessen Arbeit unzufrieden wäre.
Eines wäre aber auch klar: Würde das Präsidium sich gegen Poschner aussprechen, wäre das Chaos perfekt. Dann stünde der Klub im Winter ohne Sportchef und ohne Trainer da. Auch dieses Szenario dürfte Ortega gemeint haben, als er das Präsidium explizit mit ins Boot geholt hatte. Es war eine klare Aufforderung an Mayrhofer und seine Mitstreiter: Ruhe bewahren.

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Die Fans: Wie lange die Anhänger der Weiß-Blauen noch Ruhe bewahren, ist die letzte große Unbekannte im Sechzig-Puzzle. Seit Wochen zeigen sich die Löwen-Fans bemerkenswert leidensfähig und geduldig. Die Stimmung der knapp 3000 Mitgereisten in Nürnberg war bundesliga-reif. Wenn man mal von der unnötigen erneuten Pyro-Aktion absieht.
Doch wie lange schauen sich die Fans das Löwen-Elend auf dem Platz noch an? Beim letzten Heimspiel gegen Frankfurt waren nur noch 13 800 Zuschauer auf den Rängen. Die Spieler wurden mit Pfiffen verabschiedet. Das war ein Vorgeschmack auf das, was passieren könnte, wenn es auch in den nächsten zwei Heimspielen wieder nichts Zählbares gibt.
Kurz vor Weihnachten entwickelt sich Sechzig immer mehr zum Pulverfass.     Marc Merten

 

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