1860 und Ismaik: Chronik der Enttäuschungen
München - Barcelona! Bayern! Eigenes Stadion! Unendlich schien nur der Himmel, als Hasan Ismaik mit großem Getöse beim TSV 1860 einstieg. Es war der 7. Juni 2011, als der Jordanier sich als Retter feiern durfte. 18,4 Millionen Euro hatte der Jordanier den Löwen überwiesen, dafür hatte er 60 Prozent der Klubanteile bekommen. Doch die von der akuten Insolvenz-Gefahr erzwungene Liebesheirat steht nun, 78 Wochen später. vor einem Scherbenhaufen. Scheiden können sich die Löwen und Ismaik zwar noch nicht – die Verträge sind wasserdicht und könnten nur durch einen Verkauf der Anteile aufgelöst werden – doch es droht ein schmutziger Rosenkrieg.
Die Chronologie einer Geschichte voller kultureller Missverständnisse und gegenseitiger Enttäuschungen:
7. Juni 2011: Nach wochenlangen Verhandlungen übernimmt Ismaik die Klubanteile. „Löwen schlafen sehr lange, aber wenn sie wach sind, sind sie unbesiegbar. Diese Löwen haben jetzt lange genug geschlafen. Es wird Zeit, dass wir wach werden“, sagt er bei seiner Vorstellung. 1860-Präsident Dieter Schneider gluckst. Doch als der lustige Jordanier noch anfügt, dass man in zehn Jahren auf einer Stufe mit Barcelona sein könne, da muss der Präsident schlucken.
1. Juli 2012: Ismaik und sein damaliger Einflüsterer Hamada Iraki zahlen für 4,5 Millionen Euro den bisherigen Klub-Vermarkter IMG aus. Schneider ist eigentlich dagegen, stimmt aber zu. In den kommenden Wochen eskaliert der Streit zum ersten Mal. Ismaik und Iraki fordern intern die Ablösung Schneiders – was der Investor am 22. Juli per offenen Brief an die Fans dementiert.
Januar 2012: Den ganzen Spätherbst schwelt der Konflikt zwischen Schneider, Iraki und Ismaik. Es geht um Probleme mit dem Finanzamt, um die Zukunft von Geschäftsführer Robert Schäfer. Schneider will ihn loswerden, da er in ihn nur einen Erfüllungsgehilfen des Investors sieht, Iraki dagegen fordert mehrmals offen den Rücktritt Schneiders. Ismaik werde solange nicht mehr investieren, wie Schneider noch da sei. Sollte Schneider gehen, würde er sofort drei neue Spieler holen. Schneider bleibt, Schäfer auch.
27. März 2012: Das erste Treffen zwischen Schneider und Ismaik seit Monaten gerät zum Friedensgipfel. Spätabends rauchen die beiden sogar eine Wasserpfeife zusammen. „Ich habe kein Problem mit Schneider“, sagt Ismaik gar. Die Parteien vereinbaren einen Dreijahresplan. Bis 2015 soll der Aufstieg geschafft sein.
6. Mai 2012: Ismaik besucht die Mannschaft am letzten Spieltag. Er verkündet den Dreijahresplan, für die kommende Saison stehen der sportlichen Führung 9,5 statt wie bisher 6,5 Millionen Euro zur Verfügung. Außerdem übernimmt Ismaik per nachrangiger Kredite das aufgelaufene Defizit. Die zugesagten Darlehen überweist er aber erst wenige Stunden, bevor 1860 der DFL den Geldfluss nachweisen muss.
16. November 2012: Bei der 0:2-Pleite gegen Köln sitzt zum ersten Mal Sven-Göran Eriksson auf der Tribüne. In den folgenden Tagen kristallisiert sich heraus, dass der Schwede Ismaiks Wunschtrainer für 1860 wäre. Schnell entstehen zwei Theorien. Ismaik, mittlerweile als General Director des Milliardenunternehmen Arabtec einer der größten Bauherren der Emirate, will wohl seine neuen Freunde beeindrucken. Oder aber so schnell wie möglich aufsteigen, um seine Anteile gewinnbringend zu verkaufen. Jedenfalls scheint er den Klub weiter verschulden zu wollen. Am 20. November tritt Iraki von seinen Ämtern zurück – auch er scheint seinen Geschäftspartner nicht mehr zu verstehen. Die Löwen überlegen, wie sie ohne weitere Investitionen überlebensfähig wären.