1860 und der Geist von Bad Wörishofen

In einem Wellnesshotel im Allgäu will Löwen-Trainer Vitor Pereira seine Mannschaft für das Finale gegen Heidenheim fit machen. "Wir müssen enger zusammenrücken", fordert der Portugiese.
von  Patrick Meyer
Das Hotel: Die Löwen wohnen im Steigenberger, Wellnessbereich inklusive (Foto links). "Wir sind nicht in der Situation, dass wir jetzt meckern", sagt Liendl (l.), hier mit Aigner.
Das Hotel: Die Löwen wohnen im Steigenberger, Wellnessbereich inklusive (Foto links). "Wir sind nicht in der Situation, dass wir jetzt meckern", sagt Liendl (l.), hier mit Aigner. © Steigenberger, sampics/Augenklick

München - "Das war meine Entscheidung!" Vitor Pereira bleibt sich auch in der Krise treu. Er ist der Boss, er trägt die Verantwortung. Der Portugiese wirkt nach dem Dienstagstraining gelöst. Väterlich streichelt der Sechzig-Coach einem Bub im Löwen-Trikot über die Haare, hält mit einem Fan in seiner Landessprache Smalltalk. Selbstzweifel? Keine Spur. Oder ist alles nur Show? Das Worst-Case-Szenario liegt bedrohlich über Giesing. Die Stimmung? Nervös. Mindestens.

Plötzlich ist der mögliche Abstieg in die 3. Liga ganz real. Kurzfristig entschied sich der TSV 1860 deshalb für ein knapp viertägiges Trainingslager im Kneippkurort Bad Wörishofen. Besser gesagt, Pereira entschied sich dazu, und zwar unmittelbar nach der Niederlage gegen den VfL Bochum (1:2). Offenbar war zu diesem Zeitpunkt die Erkenntnis in ihm gereift, dass der Absturz in die Drittklassigkeit kein Hirngespinst mehr ist.

Persönliches Befindlichkeiten zählen nicht mehr

Am Dienstag, kurz nach 18 Uhr, brachen die Sechzger ins Unterallgäu auf. Der Geist von Bad Wörishofen soll es jetzt richten. Es gibt auch skeptische Stimmen. "Ob so ein Trainingslager positiv ist oder negativ, darüber kann man streiten. Wenn wir am Wochenende gewinnen, fahre ich von mir aus vier Wochen ins Trainingslager. Das ist mir scheißegal", sagte Ur-Löwe Stefan Aigner.

"Hundert Prozent Recht machen kann man es in dieser Situation ohnehin keinem. Der eine wäre gerne zu Hause, der andere sagt, er will abschalten", meinte Michael Liendl auf Nachfrage der AZ zum Sinn des Trainingslagers. "Wir sind nicht in der Situation, dass wir jetzt meckern." Die Reaktion zeigt: Nicht jeder Spieler ist über die Maßnahme glücklich. Den Verein tangiert das freilich nicht. Persönliche Befindlichkeiten zählen nicht mehr.

Der Klub sucht wohl auch deshalb die Abgeschiedenheit des Allgäus, man könnte auch sagen: Der Druck in München soll großräumig umgangen werden. Die Mannschaft wird deshalb am Samstag direkt von Bad Wörishofen nach Heidenheim fahren und die Nacht vor dem Showdown auf der Ostalb verbringen.

Liendl: "Die Mannschaft funktioniert"

In der Not spart Sechzig nicht an Luxus. Die Mannschaft ist im Allgäu im Steigenberger untergebracht, einem Fünf-Sterne-Hotel, das für sein Wellnessangebot wirbt. Das passt auf den ersten Eindruck nicht so recht zum Thema Abstiegskampf. "Zeit haben wir jetzt zumindest. Deswegen wird es sicher das eine oder andere Gespräch geben", sagte Liendl zu den Vorzügen des Trainingslagers. "Klar können wir, wenn wir lange zusammen sind, detailliert Dinge besprechen." Wenn es was zum Ansprechen gebe, werde er das tun, schilderte der österreichische Spielmacher auf die Frage, ob sich die Löwen-Profis dabei auch offen die Meinung sagen. Der 31-Jährige beschwichtigte: "Die Mannschaft funktioniert."

Die Zweifel daran mehren sich aber in Giesing. Es wächst die Sorge, dass die Mannschaft der Belastung einer möglichen Relegation nicht standhalten könnte. Dass Pereira sein Team mental rüsten muss, bewies die Art der 1:2-Pleite gegen Bochum. In Bad Wörishofen treffen seine Spieler nun statt auf unzufriedene Fans auf wohlhabende Kurgäste und Rentner im Kurzurlaub. Die Devise: Alles ausblenden!

Die Stadtverwaltung stellte dem prominenten Gast eigens Trainingsplatz Nummer zwei der städtischen Sportanlage zur Verfügung. Nach AZ-Informationen wurde der ortsansässige FC Bad Wörishofen darüber lediglich informiert. Das Trainingsgelände bietet derweil beste Voraussetzungen. Borussia Mönchengladbach und Besiktas Istanbul waren hier.

Sechzig kommt schon zum dritten Mal, einst unter Werner Lorant, später unter Reiner Maurer, jetzt mit Pereira. Während andere Bundesligisten für Not-Trainingslager in Sportschulen fahren, siehe HSV, geht es für den TSV 1860 also ins Luxushotel. Für Pereira zählt ohnehin nur eines: "Wir müssen enger zusammenrücken. Jetzt."

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