1860-Rekordtorschütze Rudi Brunnenmeier: Ein Leben voller Tragik
München - Ganz zum Schluss, als er alleine und zurückgezogen in seiner kleinen Wohnung in Olching lebte, auf 35 Quadratmetern mit 1.300 Mark Arbeitslosenhilfe und natürlich auch dem Zuschuss, den ihm Franz Beckenbauer aus alter Verbundenheit allmonatlich überwies, da sagte Rudi Brunnenmeier noch: "Wäre ich 30 Jahre später auf die Welt gekommen, hätte ich Millionen auf meinem Konto. Aber man kann sich sein Leben nicht aussuchen, nur das Beste daraus machen."
Ein anderes Leben hätt's für den Rudi Brunnenmeier jetzt nicht unbedingt gebraucht, wenn er einfach nur das Beste draus gemacht hätte. Hat er aber nicht. Und drum war alles so tragisch.
Ging ja schon früh los. 19 war er, als sein Vater 1960 an Krebs starb. "Er war mein Halt", sagte er später einmal. "Hätte er länger gelebt, könnte ich heute vielleicht ein sorgenfreies Leben führen." 1960 war auch das Jahr, als der SC Olching in der A-Klasse auf 107 Tore kam. 87 davon schoss Rudi Brunnenmeier.
Brunnenmeier: Sechzigs Rekordtorschütze
Im gleichen Jahr wechselte er in die Stadt zu den Löwen, wegen der Verletzung von Mittelstürmer Eckhart Feigenspann rückte er in die erste Mannschaft und gab seinen Platz auf der Neuner-Position nicht mehr her. Zweimal in drei Jahren war er in der Oberliga Torschützenkönig, und so wie Franz Beckenbauer einmal sagte, ohne Gerd Müller wären die Bayern nie dorthin gekommen, wo sie heute sind, kann man zumindest behaupten: Ohne Rudi Brunnenmeier hätten es auch die Löwen in den Sechziger Jahren nicht bis ganz nach oben geschafft. Pokalsieg 1964, das Europapokal-Finale 1965, das Jahr, in dem er auch in der Bundesliga Torschützenkönig wurde, Meisterschaft 1966, alles unvorstellbar ohne Brunnenmeier. Fünf Länderspiele machte er, eines davon als Kapitän. Doch so groß seine Erfolge waren, seine Verdienste um Sechzig waren, so tragisch war auch sein Leben abseits vom Spielfeld. Vor allem wegen seiner Alkoholsucht.

Als Spieler konnte er das noch kaschieren. Im September 1965 kam er eines Morgens gerade im Vollsuff nach Hause, als er per Eiltelegramm die Einberufung zu einem B-Länderspiel gegen die UdSSR am gleichen Abend in Köln erhielt. Brunnenmeier flog hin, schlief im Hotel noch seinen Rausch aus, beim 3:0-Sieg der DFB-Auswahl erzielte er dann zwei Tore. Alkohol war damals salonfähig, auch in der Bundesliga, längst legendär die Episode, als Max Merkel beim Löwen zu einem Trainingsspiel der Alkoholiker gegen die Anti-Alkoholiker bat. Die Trinkertruppe gewann 7:1, danach sagte Merkel: "Saufts weiter."
Der Absturz des einstigen Löwen-Helden
Doch nach der Meisterschaft 1966 war dann Schluss mit lustig. Brunnenmeier verlor die Bodenhaftung, verprasste sein Geld, eröffnete den Nachtclub "Pik Dame" und geriet in die falschen Kreise. Oder, wie es der "Spiegel" im Nachruf 2003 schrieb: "Verlockungen der Glitzerwelt und der Hang zu ausschweifenden Zechtouren beschleunigten den Fall ins Abseits." So konnte man es auch bezeichnen.
Symbolisch für die Tragik ist die Anekdote, wie Brunnenmeier nach einer nächtlichen Zechtour früh morgens in der Kaufingerstraße einen Einbrecher überwältigte, der gerade in einen Laden einsteigen wollte. Aus Dank gab es vom Geschäftsinhaber eine Vase im Wert von acht Mark. Sechzig aber brummte ihm eine hohe Geldstrafe auf.
Es war die Zeit, in der die Gehälter längst nicht so üppig waren, als dass man in Saus und Braus leben hätte können und trotzdem ausgesorgt hätte. Der großartige Katsche Schwarzenbeck erzählte einem auch einmal von windigen Finanzberatern, die ihn in den Siebzigern umgarnt hätten mit dem Versprechen auf fantastische Zinsen und Renditen. Worauf er, der Katsche, erwiderte: "Was Sie mir vazäin, des versteh i ned, und wenn i was ned versteh, dann unterschreib i aa nix." Schwarzenbeck ging lieber zu seinem soliden Berater bei der Stadtsparkasse, der empfahl den Kauf einer Immobilie, am besten gleich zwei, einer zum Vermieten und einer anderen zum Selbstdrinwohnen. Der Katsche hatte deswegen geldmäßig auch nie Probleme.
Betrunken am Steuer: Brunnenmeier musste in Haft
Der Rudi Brunnenmeier aber schon, er tingelte noch durch die Schweiz, Vorarlberg, Liechtenstein, doch der Absturz ließ sich nicht mehr verhindern, Brunnenmeier war in einer Abwärtsspirale, die sich immer schneller drehte und ihn immer tiefer zog. Ein Sog, dem er nicht mehr entkam.
Brunnenmeier ist auch der einzige Nationalmannschaftskapitän, der sich später als Hilfsarbeiter am Bau, an einem Imbiss-Standl und in der Münchner Großmarkthalle durchjobbte, um noch überhaupt ein bisserl ein Geld zu verdienen. Immer wieder wurde er betrunken am Steuer erwischt, einmal musste er deswegen gar in Haft. Später wurde er verurteilt, weil er Versicherungspolicen gefälscht hatte, er wollte an die Provisionen rankommen.

Auch mit seinen Frauen hatte er kein Glück, am Ende sah man ihn immer wieder noch bei einer Maß am Viktualienmarkt, ansonsten vereinsamte er daheim in Olching. Als er starb, kamen 3.000 Trauergäste zu seiner Beerdigung an den Ostfriedhof. Auf dem Grabstein steht: "Kapitän der Fußballnationalmannschaft, Europacup-Finalist im Wembleystadion und Torjäger der Münchner Löwen.
Einer wie er hätte es verdient, dass sein Leben besser läuft. Aber letztlich lag's nur an ihm, wie es kam. Ändern kann man's eh nimmer. Es is, wia's is. Aber schad war’s, so wia's war.
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