1860-NLZ-Boss Manfred Paula: "Ein brutaler Output"

München - Manfred Paula (55) leitete bereits die Nachwuchsleistungszentren des FC Augsburg und des 1. FC Kaiserslautern. Seit Juli 2019 ist der Regensburger nun Chef von Sechzigs Talentschmiede.
Im AZ-Interview spricht er über die Ausbildung bei den Löwen - und wie sich zukünftig ein zweiter Fall Noel Niemann vermeiden lässt.
AZ: Herr Paula, mit Maxim Gresler, Niklas Lang, Johann Ngounou Djayo, Milos Cocic und Co. stehen gleich acht Junglöwen im Profikader des TSV 1860. Da dürften die Augen des NLZ-Leiters leuchten.
MANFRED PAULA: Klar, das freut mich sehr: Es ist ja unser Auftrag, möglichst viele Spieler an die Profis abzugeben. Rein numerisch gesehen können wir derzeit eine große Zahl rüberreichen.
Das NLZ stand seit jeher für eine hohe Durchlässigkeit zu den Profis. Wie stellt sich die aktuelle Lage aus Ihrer Sicht dar?
Wir konnten schon in der vergangenen Saison fünf Spieler aus unserem NLZ "die Bayerische Junglöwen" in der Profimannschaft etablieren. Vier davon hatten regelmäßige Einsätze, Dennis Dressel ist sogar zum Kernspieler geworden. Was mich oft stört: Jeder denkt nur an die Parade-Beispiele der Bender-Zwillinge, Kevin Volland und Julian Weigl. Dabei ist es in der Vergangenheit immer gelungen, Spieler hervorzubringen. Das belegt auch eine Statistik.
Corona-Krise: Ausbildung bald noch positionsvariabler
Die da wäre?
In den letzten 15 Jahren haben wir 85 Spieler an die Bundesligen überführt. Das ist ein enormer Wert - im Vergleich mit anderen Leistungszentren fast unerreicht! Wir produzieren einen brutalen Output. Sechzig ist für mich in dieser Hinsicht immer eine Top-Adresse gewesen und wird es auch bleiben.

Trainer Michael Köllner gilt als Talententwickler, hat beim 1. FC Nürnberg selbst als NLZ-Leiter fungiert. Wie eng läuft Ihre Zusammenarbeit?
Die Abstimmung mit Michael Köllner und auch mit Günther Gorenzel funktioniert ausgezeichnet, um die Spielerentwicklung maßgeschneidert zu fördern. Ich bin jetzt seit etwa 15 Monaten hier, es hat immer schon eine ganzheitliche Marschroute für die einzelnen Jahrgänge gegeben. Die Grundordnung und Systemfragen werden dabei mit der Entwicklung im Profibereich abgeglichen. Zudem kommt Michaels sympathische und konstruktive Art gut an, er hat immer ein offenes Ohr für unsere Belange. Wir haben die Corona-Krise "genutzt", um unsere Konzeption zu überarbeiten und wollen die Spieler noch positionsvariabler ausbilden.
"Die Ungeduld ist größer geworden"
Jungprofis zu entwickeln gelingt nicht ohne Leistungsschwankungen: Die vielen Youngster sind Chance und Risiko zugleich, oder?
Es ist allen Entscheidungsträgern bewusst: Es werden nicht alle acht Junglöwen schaffen. Ich sage unseren Talenten immer: Jeder ist seines Glückes Schmied - jeder hat die Chance, sich zu behaupten. Der ein oder andere Spieler wird explodieren. Niklas Lang und Maxim Gresler durften ja schon länger schnuppern, sie machen ihre Sache gut: Niki agiert sehr abgeklärt, Maxim ist von der Spielintelligenz her und auch körperlich auf einem guten Weg. Man wird aber immer wieder selbst überrascht, wenn ein Spieler einen Schub bekommt. Von daher würde ich nicht raten wollen, wer den Durchbruch schafft. Es ist aber klar kommuniziert, dass die Spieler weitere Reifezeit in der U19 und U21 bekommen.
1860 hat mit fünf Neuzugängen nachgerüstet, außer Djayo hat noch kein Junglöwe debütiert. Wie wichtig ist es aus Ihrer Sicht, Talenten ihren Weg nicht zu verbauen?
Es ist nicht mein Aufgabengebiet, die Kaderplanung der Profis zu bewerten. Für mich ist es in erster Linie eine Chance für die Jungs. Dass die Kollegen drüben schauen müssen, wie sie in der Dritten Liga bestehen können, versteht sich von selbst. Was ich feststellen kann: Bei Spielern und Beratern ist die Ungeduld auf dem Weg nach oben größer geworden. Kilian Jakob (FC Augsburg) oder aktuell Noel Niemann (Arminia Bielefeld) wären auch bei uns gut aufgehoben gewesen, um den nächsten Schritt zu gehen. Aber solche Entscheidungen muss man akzeptieren.

Wobei sich Sechzig unweigerliche Abgänge zumindest vergolden lassen müsste, anstatt die Spieler ablösefrei ziehen zu lassen: Wie lässt sich aus Ihrer Sicht der nächste Fall Niemann vermeiden?
Die Verträge längerfristig zu gestalten ist schwieriger geworden, selbst mit Nachwuchsspielern. Das Ziel muss bleiben, Spieler gewinnbringend zu transferieren. Vielleicht sollten manche mal darauf schauen, ob andere Vereine ihre Versprechungen, sie schnell groß herauszubringen, tatsächlich auch halten.
Wunsch des NLZ-Bosses: Die Profis in der Zweiten Liga
Sprechen wir über den bitteren Fünffach-Abstieg der 1860-Mannschaften in der Saison 2016/17: Inwieweit sind noch Nachwirkungen spürbar?
Die Profis haben ja glücklicherweise den Weg zurück in den Profifußball gefunden. Die U17 ist jetzt souverän aufgestiegen, die U16 in die Bayernliga eingegliedert. Vor drei Jahren war es eine schwere Situation für uns, denn die Ausbildungssituation ist natürlich nicht optimal, wenn du nicht in den höchsten Ligen spielst. Das zeigen auch die Zahlen der Spielerrekrutierung in unseren Kadern. Die zahlreich vernommene Kritik, dass die Qualität gelitten hätte, basiert aber auch auf Halbwissen: Wir haben aus einem engen finanziellen Spielraum mit Kreativität viel herausgeholt. Die U19 müssen wir zeitnah auf das oberste Niveau zurückführen, das ist auch unser Ziel. Dann haben wir eine sehr gute Basis.
Welchen Wunsch hegen Sie in Ihrer Funktion als NLZ-Boss für eine rosige Zukunft der Blauen?
Alles steht und fällt mit unserem Flaggschiff, den Profis. Ich wünsche mir, dass sie bald den Weg zurück in die Zweite Liga finden. Wir sehen uns als Dienstleister für die Profis. Ich hoffe, dass wir unseren Teil beitragen und weiterhin so viele Talente hinstellen können.