1860: Niemann wollte seinen Nachfolger ausbooten

Der Ex-Geschäftsführer hatte vergeblich versucht, sich vom Vermarkter IMG zu trennen. Schäfer (34) übernimmt sofort. Wollen Teile der Fans die Insolvenz?
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Robert Schäfer (l.) folgt auf Robert Niemann
sampics Robert Schäfer (l.) folgt auf Robert Niemann

Der Ex-Geschäftsführer hatte vergeblich versucht, sich vom Vermarkter IMG zu trennen. Schäfer (34) übernimmt sofort. Wollen Teile der Fans die Insolvenz?

COTTBUS Es ist ein Abgang mit Ansage, und dieses Mal wissen alle Beteiligten Bescheid. Geschäftsführer Robert Niemann, weil er selbst am Donnerstag seinen Rücktritt eingereicht hat, die Bosse, weil sie dem stattgegeben haben, und Niemanns Nachfolger Robert Schäfer (34), bisher Projektleiter beim 1860-Vermarkter IMG, schon am Freitag einen Vorvertrag unterschrieben hat. Und doch konnten sich die Bosse bis zum Ende des des 0:0 in Cottbus nicht dazu durchringen, Niemanns Rücktritt nach nur 106 Tagen auch offiziell bekanntzugeben. Erst um 15.35 Uhr kam die längst überfälligige Pressemeldung.

Eine besondere Logik, die wohl nur Löwen verstehen können. Miki Stevic etwa antwortete vor dem Spiel auf die Frage, ob er sich im falschen Film wähne: „Das ist ein realistischer Film. Das ist 1860." Die AZ beantwortet die wichtigsten Fragen zum Niemann-Rücktritt:

Warum ist Niemann wirklich zurückgetreten?

Der Ex-DFL-Manager begründete seine Entscheidung damit, nicht den kompletten Rückhalt der Gremien für seinen Sanierungskurs zu spüren. Tatsächlich waren Teile der Vereinsspitze und des Aufsichtsrates nicht erst seit Niemanns Fan-Schelte nach dem 2:1 gegen Aachen letzten Sonntag von Niemann abgerückt. So war der Geschäftsführer, der sich gerne seines Kommunikations-Doktortitels rühmte, immer wieder durch Alleingänge aufgefallen. Vor drei Wochen wollte er den Vertrag mit Vermarkter IMG kündigen, offenbar war er von der Arbeit Schäfers und dessen Kollegen wenig überzeugt, er hatte schon mit den Konkurrenten Ufa und Sportfive verhandelt. Pikant also: Niemann wollte gewissermaßen seinen Nachfolger ausbooten – ist er daran gescheitert? Auch Niemanns Selbstanzeige bei der DFL, die den zwei-Punkte-Abzug brachte, kam nicht gut an. Ein von 1860 in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten hatte dies nicht für unbedingt notwendig erachtet.

Warum wurden die Gehälter wirklich zu spät bezahlt? Wie sehr droht die Insolvenz?

Ende Oktober verweigerte eine Bank die Überweisung der Oktober-Gehälter für die 43 Mitarbeiter der Geschäftsstelle (AZ berichtete). Der Versuch, das Geld von einem anderen Konto umzuschichten, erfolgte zu spät. Die Gehälter wurden schließlich am 2. November angewiesen. Momentan ist die Lage ernst, aber stabil. Dank neuer Kredite und der Zahlung einiger Gönner scheint 1860 bis Weihnachten zahlungsfähig.

Was würde bei einer Insolvenz passieren?

Dem Klub würde von der DFL die Lizenz entzogen werden. Da auch die in der Regionalliga spielende zweite Mannschaft in die KGaA ausgegliedert ist, wäre nur ein Neuanfang im Amateurbereich möglich. Ob in der fünftklassigen Bayernliga oder noch tiefer, müsste der Bayerischen Fußballverband entscheiden.

Wollen die Fans sogar die Insolvenz?

Da scheint es tatsächlich einige zu geben. In Fanforen wie dem „Löwenforum“ wird das immer wieder gefordert – auch weil man dann ins Grünwalder Stadion zurückkehren könnte. „Diese Fans sollen mir erklären, wie ein Verein ohne großen Sponsor oder Mäzen aus der Bayernliga wieder den Weg nach oben finden kann. Alle Verantwortlichen arbeiten daran, eine Insolvenz dauerhaft zu verhindern. Die wirtschaftliche Konsolidierung ist unser Auftrag", sagt Vizepräsident Dieter Schneider.

Was passiert mit Präsident Beeck?

Bei der Aufsichtsratssitzung am Donnerstag wurde auch über die Notwendigkeit von Beecks Rücktritt diskutiert. Gut möglich, dass der Präsident, der bis Mittwoch beruflich in Dubai weilt, bei der Delegiertenversammlung am 28. November abtritt. Auch ein Putschversuch, der zum Ziel hätte, Schneider zum neuen Chef zu machen, scheint möglich.

Wer ist dieser neue Vizepräsident Schneider?

Erst seit drei Wochen im Amt, hat er schon ein Büro bezogen auf der Geschäftsstelle. Der Multi-Unternehmer (Dieter Schneider Holding), dessen Hauptfirma Liedtke Kunststofftechnik Plastikteile für die Autoindustrie herstellt, verbrachte dort nun ganz selbstverständlich ein, wie er sagte „Arbeitswochenende“ und führte die letzten Verhandlungen mit Schäfer. Gesichert ist, dass Schneider zuletzt einen niedrigen sechsstelligen Betrag überwies, um die Zahlungsunfähigkeit zu verhindern. Manche haben den Eindruck gewonnen, dass er sich mit diesem Geld auch den Posten im Verein gewissermaßen erkauft haben könnte. „Ich habe mich nicht um dieses Amt gerissen", sagt Schneider selbst. Und weiter: „Ich bin ein kleiner Vize-Präsident und hege keine Ambitionen auf mehr Macht."

Filippo Cataldo

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