Interview

1860-Neuzugang Jesper Verlaat: "Ich dachte, die Jungs wollen mich veralbern!"

Neu-Löwe Jesper Verlaat schoss schon zweimal das entscheidende Tor – als Innenverteidiger. In der AZ spricht er über den Job als Stürmer, Flohzirkus auf der Wiesn – und seine neue Liebe für München.
von  Victoria Kunzmann
"Wer spielt nicht gern Stürmer und schießt Tore?", sagt Aushilfs-Angreifer Jesper Verlaat, der eigentlich Innenverteidiger ist.
"Wer spielt nicht gern Stürmer und schießt Tore?", sagt Aushilfs-Angreifer Jesper Verlaat, der eigentlich Innenverteidiger ist. © Christina Pahnke / sampics

München - AZ-Interview mit Jesper Verlaat: Der Abwehrspieler (26) kam im Sommer von Waldhof Mannheim.

AZ: Herr Verlaat, Sie hatten einen super Start. Fünf Siege in sechs Liga-Spielen, zweimal haben Sie das entscheidende Tor geschossen. Wie haben Sie die ersten Wochen bei 1860 erlebt?
JESPER VERLAAT: Die ersten Wochen habe ich im Hotel gewohnt und gebraucht, um mich zurechtzufinden. Der Coach spielt anders Fußball, als ich es gewohnt war. Ab dem Trainingslager habe ich das Spiel besser verstanden, mich wohler gefühlt. Die Jungs haben mich super aufgenommen. Als ich eine Wohnung gefunden habe, bin ich wirklich angekommen.

Inwiefern unterscheidet sich Köllners Spielstil von anderen?
In Mannheim habe ich rechts gespielt, hier spiele ich linker Innenverteidiger und die Kette steht viel höher. In Mannheim haben wir uns auf Konter- und Umschaltspiel fokussiert. Hier versuchen wir, höher zu attackieren. Auch mit den Fans ist es anders.

"Königstransfer" Verlaat will den Erwartungen unbedingt gerecht werden

Was unterscheidet die Löwen-Fans von anderen Anhängern?
Von Anfang an ist mir die Präsenz im Alltag extrem aufgefallen. Man sieht die Fans viel öfter, etwa bei Trainingseinheiten, an einem Dienstagmorgen oder am Donnerstagnachmittag. Wenn wir trainieren: Das Löwenstüberl ist immer voll. Man merkt, dass der Verein lebt. Das ist schon cool.

Sie wurden als Sechzigs Königstransfer angekündigt. Wie nehmen Sie das wahr?
Ich habe mitgekriegt, dass der Transfer so beschrieben wurde. Natürlich kommt Druck mit. Aber es liegt an mir, mir den Druck zu nehmen. Ich habe gesagt, dass ich alles tue, um den Erwartungen der Fans, des Vereins, den eigenen gerecht zu werden. Dafür tritt man an.

Es ging sehr gut los mit 16 Punkten nach sechs Spielen. Wie groß war Ihr Anteil?
Man gewinnt und man verliert zusammen. In jedem Spiel konnten sich andere Spieler auf anderen Positionen hervortun. Mal ging es um die Standard-, mal um die Einwechselspieler, mal mussten wir die Brechstange herausholen. Ich will die Teamleistung hervorheben.

1860-Neuzugang Verlaat: "Wer spielt nicht gern Stürmer und schießt Tore?"

Welche anderen Erfolgsfaktoren sehen Sie noch?
Drei, vier Stammkräfte sind am Anfang ausgefallen. Das konnten wir nur als Team kompensieren, das haben wir gut aufgefangen. Bei uns sind nicht elf Mann, sondern alle wichtig.

Der Trainer hat Sie gegen Ende des Spiels gegen Viktoria Köln in den Sturm gestellt.
Das Trainerteam hat gesehen, dass Viktoria mit zwei großen Stürmern vorne drinsteht und wir nur mit Fynn Lakenmacher, der von der Körpergröße hinkommt. Deshalb wollten sie einen zweiten Stürmer vorn haben, bei dem durch Körperlichkeit mehr Unruhe reinkommt. Ich war überrascht, dass es relativ früh war, aber wir hatten hinten keinen Mann weniger. Ich bin glücklich, dass wir den Punkt mitgenommen haben.

Können Sie sich vorstellen, das öfter zu machen?
(lacht) Meine Hauptaufgabe ist es, hinten die Null zu halten. Wir haben in den letzten beiden Spielen zwei Tore kassiert. Wenn es das Trainerteam wieder so machen will, bin ich der Letzte, der sagt, ich mache es nicht. Wer spielt nicht gern Stürmer und schießt Tore?

Wie weit bringen es die Löwen dieses Jahr?
Der Verein hat klar gesagt, was das Ziel ist. Wir werden alles dafür tun, es zu verwirklichen. Wir haben eine Euphorie, die uns antreibt. Aber man darf nicht zu euphorisch sein, weil erst sechs Spieltage rum sind.

Verlaat freut sich schon auf sein Wiesn-Debüt

Wo müssen die Löwen zulegen, dass der Aufstieg klappt?
Wenn man eine Halbzeit zurückliegt oder es mal nicht so läuft, neigt man schnell dazu, etwas zu erzwingen oder ungeduldig zu werden. In Köln haben wir das Gegenteil gezeigt, sind ruhig geblieben. Wir wissen um unsere Qualität.

Nicht nur die Fans sind besonders in München, auch das Oktoberfest. Haben Sie sich schon bei den Mitspielern erkundigt?
Ich war noch nie auf dem Oktoberfest, aber ich habe viele Geschichten gehört. Etwa, dass es einen Flohzirkus gibt. Ich dachte, die Jungs wollen mich veralbern! Ich habe es gegoogelt: Das gibt's wirklich. Oder, dass man mit der Schürze vom Dirndl zeigt, ob man Single oder vergeben ist. Sie haben erzählt, wer als Erster reagiert, wenn unter dem Tisch ans Schienbein getreten wird, muss ein Bier kaufen. Ich weiß nicht, ob alles stimmt! Sie wollen mich manchmal auf den Arm nehmen. Aber diese Kultur, deftiges Essen, Brezn, Hendl – das ist einzigartig.

"Als Kind war es 'normal', dass wir alle paar Jahre umziehen"

Freuen Sie sich?
Ja, ich bin gespannt! So wie es mir angepriesen worden ist, muss es sehr extrem sein. Positiv extrem.

Wie erleben Sie die Stadt bisher? Als Sohn des Ex-Bundesliga-Profis Frank Verlaat sind Sie ja Promis, Glamour und Reisen sicher gewöhnt.
Kumpels, die hier oder in Unterhaching spielten, haben gesagt: "Freu dich auf die Stadt!" Ich habe alles hier: Innenstadt. Englischer Garten, Natur, Berge. Als Kind nimmt man Sachen anders wahr. Von der Fußballkarriere meines Vaters kann ich mich so richtig nur an die Zeit in Österreich erinnern. Als Kind war es "normal", dass wir alle paar Jahre umziehen und ich ein neues Umfeld habe, einen neuen Fußballverein, neue Freunde. Wenn man älter wird, fällt einem auf: Es ist nicht normal, dass man alle drei, vier Jahre umzieht. Ich bin es nicht anders gewohnt.

Jesper Verlaat: "Bis jetzt fühle ich mich sehr wohl"

Wie gefällt Ihnen München?
Gut! Was mir auffällt, ist das deftige deutsche Essen. Und die vielen Bäcker. Gefühlt gibt es an jeder Ecke einen.

Wo hat es Ihnen bisher am besten gefallen?
In Portugal hat man viel Sonne und Meer. Aber auch in Bremen habe ich mich super wohlgefühlt. Hier ist gefühlt jeden Tag gutes Wetter und ich kann an einen Isarstrand und kurz baden. Bis jetzt fühle ich mich sehr wohl. Das muss ich, damit ich meine Leistung abrufen kann.

Mit Ihrer blonden Mähne sind Sie ja der prädestinierte Löwe. Absicht oder Zufall?
(lacht) Das ist auf jeden Fall großer Zufall. Ich hatte immer lange Haare. Mit dem Haarreif sieht es aber tatsächlich ein bisschen wie eine Mähne aus!

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.