1860: Liegt Lienen noch richtig?
Nach der dritten Saisonniederlage sieht Löwen-Vize Maget „Anlass zur Sorge“ – und das Saisonziel Aufstieg gefährdet. Der Coach muss sich beweisen – in Sachen Krisen-Manegement, Taktik, Autorität
MÜNCHEN Wenn’s beim TSV 1860 kriselt, dann trifft sich an der Grünwalder Straße meist ein Grüppchen älterer Herrschaften. Sie diskutieren, lamentieren und schimpfen auch zuweilen über ihre Löwen, die nach der 0:2-Schlappe in Aachen, der dritten Niederlage im sechsten Spiel, auf Platz 13 der Zweiten Liga abgestürzt sind. „Das gibt Anlass zur Sorge“, sagte Vize-Präsident Franz Maget der AZ. „Ich hab’ zwar nur die Ausschnitte im TV gesehen, aber was ich gesehen habe, hat mir wirklich gereicht.“
Nun hat Maget, der die Löwen-Welt doch sonst so gerne durch die weiß-blaue Brille sieht, sogar erstmals die Befürchtung, dass man das ausgegebene Ziel, den Aufstieg im Jahr des 150-jährigen Vereinsbestehens, womöglich nicht erreichen wird.
Die Mannschaft ist teuer wie schon lange nicht mehr – aber ist sie auch gut genug?
Alle Hoffnungen ruhten bislang auf einem Mann – dem Trainer. Ewald Lienen, der erfahrene Coach (früher u.a. Köln, Duisburg, Hannover, Rostock, Teneriffa) sollte den TSV 1860 wieder in die Bundesliga führen. Doch der akribische Arbeiter aus Westfalen stößt in Giesing an seine Grenzen – wie schon seine Vorgänger Rudi Bommer, Reiner Maurer, Walter Schachner, Marco Kurz und Uwe Wolf, die seit dem Abstieg 2004 versucht haben, die Blauen wieder in die Beletage des deutschen Fußballs zu führen. Alle sind bei den Löwen gescheitert – ist auch Lienen nicht der Richtige?
Seine Bilanz ist miserabel beim TSV 1860: In acht Spielen (inklusive der beiden letzten der alten Saison) holte Lienen von möglichen 24 Punkten nur acht Zähler. „Für mich ist Lienen nach wie vor der richtige Trainer“, sagte Meister-Löwe Fredi Heiß der AZ, „was Lienen braucht, ist allerdings Zeit.“
Nutzt der 56-Jährige sie aber auch richtig? Der AZ-Check:
Das Krisen-Management: Lienen hat nach dem Aachen-Debakel angekündigt, dass er die Mannschaft für das Pokal-Spiel gegen Hertha BSC (Mittwoch, 19 Uhr, Liveticker bei abendzeitung.de) umstellen will. „Es wird Veränderungen geben“, verspricht Lienen. „Ich brauche jetzt die richtige Mischung.“ Was Lienen am meisten missfällt: „Wenn einer nach Siegen beim nächsten Mal immer 25 Prozent weniger bringt, dann kann ich das nicht akzeptieren. Das ist die falsche Berufsauffassung. Es kann nicht sein, dass wir die Gegner eskortieren und neben ihnen herjoggen. Soll ich den Spielern immer auf die Fresse hauen, damit die Spannung erhalten bleibt?“
Lienen will ein Zeichen setzen. Auf seiner Streichliste soll sich neben Verteidiger Mate Ghvinianidze und Alexander Ludwig auch Kapitän Benny Lauth befinden. Lienen knapp: „Ich werde nicht über einzelne Spieler reden – aber auch die Führungsspieler spielen eine Rolle.“
Seine Taktik: Ist zumindest streitbar. Längst ist Lienen vom Konzept der Vorbereitung – einem klaren 4-4-2-System – abgewichen. Er ist auf Alexander Ludwigs Drängen („Ich kann nicht links spielen“) eingegangen und hat ihn in die Mitte versetzt. Die Folge: Stoßstürmer Kenny Cooper muss auf den linken Flügel ausweichen – damit beraubt ihn Lienen seiner Stärke.
Seine Autorität: Lienen ist in der Mannschaft sehr beliebt. Er hat immer ein offenes Ohr für seine Spieler - aber ist das auch gut? Beispiel Sascha Rösler. Obwohl der Ex-Gladbacher immer noch seiner Normalform weit hinterherhinkt, bekommt er immer wieder eine neue Chance. Wie viele noch? Nicht nur das wird im Umfeld des TSV 1860 längst diskutiert. Oliver Griss