Interview

1860-Legende Radenkovic: "Bald ist keiner mehr von uns da"

Die Löwen-Legende Petar Radenkovic nimmt in der AZ Abschied von seinem Kapitän Peter Grosser (82), der am Dienstag verstorben ist. "Ich habe einen sehr guten Freund verloren. Es ist sehr traurig."
von  Florian Kinast
Petar Radenkovic trauert um Peter Grosser.
Petar Radenkovic trauert um Peter Grosser. © Rauchensteiner/Augenklick

AZ-Interview mit Petar Radenkovic: Der jetzt 86-Jährige spielte von 1962 bis 1970 beim TSV 1860 als Torhüter, an der Seite von Kapitän Peter Grosser gewann der Kult-Löwe 1966 die deutsche Meisterschaft.

AZ: Herr Radenkovic, wir erreichen Sie am Telefon in Belgrad, Sie haben vom Tod Ihres langjährigen Mitspielers Peter Grosser bereits erfahren?
PETAR RADENKOVIC: Ja, ich erhielt die Nachricht am Dienstag und war sehr geschockt. Wir waren nicht ständig, aber immer wieder in Kontakt und haben uns jedes Mal getroffen, wenn ich in München war. Das letzte Mal vor ein, zwei Jahren. Er machte auf mich immer einen sehr guten Eindruck, wirkte zufrieden und rüstig. Ich habe einen sehr guten Freund verloren. Es ist sehr traurig.

In seiner ersten Saison tat sich Grosser noch schwer

Sie als Torwart und er als Kapitän waren zwei prägende Figuren der glorreichen Zeit der Löwen in den Sechziger Jahren. Wie hatten Sie ihn denn als Spieler wahrgenommen?
Damals war jeder Spieler eine wichtige Säule für den Erfolg. Jeder leistete seinen Beitrag dazu, dass wir Pokalsieger wurden, im Europacupfinale standen und dann die Meisterschale holten. Jeder hatte seine Qualitäten - Peter natürlich ganz besondere. Ich kann mich noch an den Anfang erinnern, ich war ein Jahr in Giesing, als Peter 1963 vom FC Bayern zu uns kam. Seine technischen Qualitäten waren beeindruckend, auch wenn er sich in der ersten Saison bei Trainer Max Merkel noch etwas schwertat.

Löwen-Legenden: Kapitän Peter Grosser (l.) und Torwart Petar Radenkovic sind zwei der Meister-Löwen. Die Fans trauern um Grosser, der am Dienstag verstorben ist.
Löwen-Legenden: Kapitän Peter Grosser (l.) und Torwart Petar Radenkovic sind zwei der Meister-Löwen. Die Fans trauern um Grosser, der am Dienstag verstorben ist. © imago images/Werner Otto

Beim 2:0 im DFB-Pokalfinale gegen Eintracht Frankfurt etwa musste er zusehen, da Merkel stattdessen Wilfried Kohlars das Vertrauen schenkte, der dann auch das wichtige 1:0 schoss.
Richtig, aber schon im Jahr danach hatte er sich etabliert. Er hatte eine ganz starke Ballbehandlung, eine große Übersicht. Er hatte den Blick für den richtigen Pass im richtigen Moment, ein genialer Ballverteiler. Er wuchs bei uns im offensiven Mittelfeld immer mehr in die Rolle des Spielmachers hinein. Und dann in die des Kapitäns.

Der Regisseur wurde Kapitän

1965 sorgte Merkel für eine große Überraschung, als er Torjäger Rudi Brunnenmeier die Binde entzog und Grosser zum Kapitän machte.
Vielleicht dachte Merkel, dass ein Regisseur wie Peter besser dafür geeignet wäre. Er war ein sehr guter Kapitän, ein sehr guter Anführer unserer Mannschaft. Dabei wurde er nie laut, er war sehr ruhig, als Mitspieler, aber auch als Mensch.

Kam er denn als Kapitän auch mit dem Trainer klar?
Mit dem Trainer kam ja keiner von uns klar. Natürlich muss man sagen, dass auch Max Merkel einen ganz großen Anteil an unseren Erfolgen hatte, aber Peter und ich dachten schon damals sehr ähnlich. Und so war es auch später, als wir beide mit dem Fußball aufgehört hatten. Wir hatten zu vielen Dingen die gleiche Meinung und Sichtweise.

Beide hatten viel zu bemängeln

Vor allem zur Entwicklung beim TSV 1860.
Richtig. Da hat uns beiden vieles nicht gefallen. Und wissen Sie, was ich nie verstanden habe? Warum er nie Trainer bei 1860 wurde. Man hatte schon schnell seine Fähigkeiten sehen können, als er zu Unterhaching ging. Unterhaching, dieser kleine Verein. Wo standen die, als er dort Trainer wurde?

In der Bezirksklasse. War eher so ein Thekenteam trinkfester Feierabendkicker.
Sehen Sie. Und dann führte er sie in wenigen Jahren mit harter Hand in die Bayernliga, damals die Dritte Liga. Peter hatte viel Fachwissen, er wusste aber auch, wie man eine Mannschaft formen kann, Spieler aufbauen. All das hätte einem Verein wie 1860 auch gutgetan. Dass niemand im Präsidium bei den Löwen je auf die Idee kam, Peter zu engagieren, ist mir bis heute ein Rätsel. Gerade wenn ich denke, wie viele unqualifizierte und inkompetente Trainer 1860 in all den Jahren hatte. Mit Peter als Trainer hätten die Löwen viel Erfolg haben können.

50-jähriges Jubiläum: Hansi Reich, Peter Grosser, Petar Radenkovic, Hans Rebele, Bernd Patzke und Fredi Heiß (v.l.).
50-jähriges Jubiläum: Hansi Reich, Peter Grosser, Petar Radenkovic, Hans Rebele, Bernd Patzke und Fredi Heiß (v.l.). © sampics/Augenklick

"Bald ist dann keiner mehr da von uns"

Sie hatten ja früher schon beklagt, warum alte und verdiente Spieler nicht auf verantwortungsvollen Positionen in den Klub eingebunden wurden, so wie es etwa bei einem gar nicht einmal so erfolglosen Nachbarverein aus der Säbener Straße gerne der Fall war.
Peter und ich saßen oft zusammen, nicht so sehr bei offiziellen Vereinsanlässen wie Jubiläen und sonstige Feiern, dazu wurden wir ja auch eher selten eingeladen. Nein, wir haben uns einfach so immer wieder getroffen und mit großer Enttäuschung die Entwicklung bei unseren Löwen analysiert und uns gewundert, warum niemand von der Führung mal zu uns gekommen ist und uns integrieren wollte. Wir haben uns fremd gefühlt bei 1860, so ging es Peter, so ging es mir. Wissen Sie schon, wann die Beerdigung ist?

Nein, wollen Sie nach München kommen?
Ich würde gerne Abschied nehmen, aber die Corona-Situation wird das nicht zulassen. Bitte verzeihen Sie, aber ich kann jetzt nicht mehr weiterreden. Wieder ist einer von uns Meisterlöwen gegangen, und jedes Mal, wenn ich nach München komme und wir uns treffen, dann sind wir wieder einer weniger - oder auch zwei. Es macht mich einfach nur sehr traurig. Aber es ist nun einmal so. Das ist die Natur, das ist das Schicksal, das uns alle erwartet. Und bald ist dann keiner mehr da von uns.

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