1860: Kriegt Lienen die Kurve?

Da er weiter die Rückendeckung der Löwen-Bosse genießt, setzt der Trainer sich und sein Team vor dem Spiel bei Energie Cottbus selbst unter Druck:„Wir müssen über unsere Schmerzgrenze gehen“
MÜNCHEN Ewald Lienen weiß, was sich gehört – und so geht der 1860-Trainer auch nach schlechten Resultaten zu den Fans in die Kurve. Egal wie deprimierend das Ergebnis auch ausfällt. „Aus Anstand und Respekt“, wie er selbst sagt. Spaß macht ihm das mittlerweile jedoch nur noch selten. Immer öfter muss sich Lienen harsche, teilweise auch beleidigende Kritik anhören. Es gab sogar schon vereinzelte „Lienen raus!“-Rufe aus dem Fanblock. Dennoch stellt er sich. In dieser Woche hatte der Trainer sogar einen Termin im Fanheim der Gruppierung „Cosa Nostra“.
Natürlich wurden ihm dort unangenehme Fragen gestellt. Denn Lienens Kredit beim TSV 1860 schwindet mit jedem schwachen Spiel – und so kommt der Partie am Sonntag in Cottbus (13.30 Uhr, Liveticker bei abendzeitung.de) Weg weisende Bedeutung zu.
Auch wenn Präsident Rainer Beeck offiziell hinter Lienen steht („Man hat in der Vergangenheit gesehen, was vorschnelle Trainerwechsel bei 1860 gebracht haben“), ist dem erfolglosen Coach auch bewusst, dass er jetzt siegen muss. Zu schlecht ist seine bisherige Saison-Bilanz beim mit großen Ambitionen in die Liga gestarteten Zweitligisten: Platz 15, aus elf Spielen holte Coach Lienen nur elf Punkte.
„Dass ich diese Rückendeckung habe“, sagt Lienen, „ist ein angenehmes Detail. Diesem Vertrauensvorschuss vom Verein und von den Fans müssen wir jetzt gerecht werden.“ Womit er natürlich auch sein Team in die Pflicht nimmt. Doch Lienen weiß vor dem wichtigen Auswärtsspiel in Cottbus auch: „Wenn die Mannschaft nur deshalb unter Druck setzt, um dem Trainer zu helfen, kann das schnell kontraproduktiv sein.“
So weit soll’s in der Lausitz aber nicht kommen. Lienen hat seine Stars in den letzten Tagen eingeschworen auf die kommenden Aufgaben: „Wir müssen über unsere Schmerzgrenze gehen, als verschworene Gemeinschaft auftreten. Wir müssen unseren Fans zeigen, dass wir keinen Millimeter zurückgehen.“ Sondern draufhalten, auch wenn’s mal weh tut.
Doch wer bringt diese Qualitäten bei 1860 mit? Lienen ehrlich: „Wir haben viele Leute, die nicht den Biss haben. Es ist nicht so, dass ich dann jemand erschieße, wenn er das nicht kann, aber dann wird er halt auch nicht spielen.“
Hart, härter, Lienen. Und so nimmt er auf Namen keine Rücksicht mehr – und befördert lieber zwei Amateure statt auf ausgelaugte Profis wie Mathieu Beda zu setzen: Mathias Wittek und Dominik Stahl, die beiden Führungsspieler aus der U23. Beide haben sogar die Chance, in Cottbus in der Startelf zu stehen. Wittek als kopfballstarker Verteidiger – und Stahl als Abräumer vor der Abwehr.
Um in Zukunft auf alles vorbereitet zu sein, empfiehlt Lienen seine Spieler in der nächsten Woche auch noch den Gang zum Arzt: Impfen gegen die Schweinegrippe. Ein Zwang ist es nicht. Lienen: "Ich möchte nicht dafür verantwortlich sein, dass der ein oder andere Spieler von uns vielleicht wegen mir Ausschlag bekommt, weil ich angeordnet habe, dass er sich gegen die Schweinegrippe impfen lassen muss."
Oliver Griss