1860: Hausverbot für Ziffzer
Nun hat er es auch schriftlich. Das Präsidium des TSV 1860 hat Hauptgeschäftsführer Stefan Ziffzer die Kündigung zugestellt. Der Ex-Finanzboss räumte sein Büro, ging im Fanshop einkaufen - und trat noch einmal nach gegen Klubchef von Linde.
Diesen Gag wollte sich Stefan Ziffzer am Dienstag dann doch noch gönnen: Um 11.23 Uhr – nachdem er seine schriftliche Kündigung von Albrecht von Linde überreicht bekam – ging er direkt in den 1860-Fanshop: Der Geschäftsführer a.D. holte einen weiß-blauen Fan-Schal mit der Aufschrift Mäzen. „Ich habe damals aus eigener Tasche 4000 Euro für die Aktion überwiesen. Jetzt wollte ich den Schal auch haben."
Natürlich war aber die Geste ein weiterer (auch wenn witziger) Affront gegenüber von Linde, denn der Präsident hatte sich mit dem weiß-blauen Schal immer so gern ablichten lassen. Unter dem aufmunternden Applaus der Kiebitze verließ Ziffzer die Geschäftsstelle, eine Frau („Ich werde jetzt nach 44 Jahren meine Mitgliedschaft kündigen") fiel Ziffzer sogar fast um den Hals. Der ehemalige DSF-Sanierer zur AZ: „Ich werde jetzt nach Hause fahren, mit meinem Hund Gassi gehen oder den Rasen mähen – und sonstige Befehle meiner Frau annehmen."
"Ich bin eben kein diplomatischer Mensch"
Ziffzer, der am Sonntag nach dem rettenden 1:1 gegen Osnabrück von Linde in der unvergessenen Pressekonferenz als „Schande" bezeichnet hatte und darauf postwendend im Businessbereich die fristlose Kündigung ausgesprochen bekam, wirkte erleichtert: „Auf diesen Moment habe ich sechs Monate gewartet. Diese Rede war kein Ausrutscher. Ich bin eben kein diplomatischer Mensch. Der Präsident wollte mich vom ersten Moment abschießen. Mir tut's leid für 1860, weil der Verein Besseres verdient hat. 1860 braucht professionelle Strukturen – aber keine Vereinsmeierei. Doch das ist weitgehend der Fall. Das Präsidium hat immer den großen Max gespielt."
Bevor er ging, machte Ziffzer nochmal Werbung in eigener Sache – und verwies auf seinen Tätigkeitsbereich: „Nicht, dass eine Legendebildung entsteht, wenn ich weg bin", sagte er und fügte hinzu: „Stand heute, 13. Mai, haben wir 4 Millionen Euro Kreditlinien nicht in Anspruch genommen, wir haben ein Guthaben von 1,2 Millionen und eine Darlehensverpflichtung von 3,6 Millionen – und eine Darlehenszusage von 500.000 Euro bis Ende Mai. Unsere Bilanz wird zum 30. Juni eine Null bis 100.000 Euro Minus schreiben – und das ist beweisbar. Wir haben wegen 100.000 Euro die Lizenz bekommen."
"Das Arbeitsgericht wird entscheiden"
Den Präsidenten können solche Zahlenspiele nicht mehr beeindrucken, er hat von Ziffzer genug. Am Dienstag bekam sein Geschäftsführer neben dem blauen Brief („Über meine fristlose Kündigung wird das Arbeitsgericht entscheiden") auch einen anderen Hinweis. „Ich habe von Linde Hausverbot bekommen", sagte Ziffzer schmunzelnd: „Jetzt kommt einiges auf von Linde zu."
Doch vielleicht liegt genau darin eine Chance für den Präsidenten, dem seine Kritiker oft vorwerfen, dass er zur selten aktiv wird: Jetzt kann von Linde Profil zeigen, schließlich stehen infolge der Ziffzer-Entlassung viele wegweisende Entscheidungen an: Wen holt er als Ziffzers Nachfolger – und vor allem: Bringt er endlich die versprochenen Investoren doch noch in den Verein?
Am Dienstag gab's von Linde dazu kein Statement: „Von mir gibt es keinen Kommentar", sagte der 64-jährige. Die Fan-Organisation ARGE steht trotz der legendären Wutrede offenbar weiter hinter Ziffzer, in einem offenen Brief schrieb der Dachverband: „Ziffzer hat fachlich und auch von seinem gezeigten Engagement bislang voll überzeugt und kann definitiv auch Erfolge vorweisen. Dies kann man vom Präsidenten nicht behaupten. Sollte jemand seinen Hut nehmen müssen, dann sicher nicht Ziffzer."
Reuter alleiniger Geschäftsführer
Zunächst wird Stefan Reuter die alleinige Geschäftsführung beim Fußball-Zweitligisten übernehmen. Der Verein teilte am Dienstag weiter mit, dass der bisher für Finanzen und Controlling zuständige Markus Kern als Prokurist kommissarisch den kaufmännischen Bereich vertritt. Der 34-jährige Volkswirt ist seit zwei Jahren beim TSV 1860 München
Oliver Griss