1860: Gut gebrüllt, Wolf
INGOLSTADT - Der Trainer fliegt vom Platz, coacht die Löwen von der Tribüne aus – und gewinnt das Derby.
Uwe Wolf hatte einen ziemlich kräftigen Teint, als er nach dem 3:2-Sieg seiner Löwen gegen Ingolstadt in die Katakomben des Stadions ging. „Das waren die längsten 45 Minuten meines Lebens“, sagte der Löwen-Coach schnaufend, „ich bin total ausgelaugt nach diesem Spiel.“ Das glaubte man ihm sofort, wenn man ihn sah mit seinem geröteten Gesicht.
Schließlich hatte Wolf eine wahre Achterbahn der Gefühle in diesem packenden Derby durchleben müssen. Und er hatte noch lauter schreien müssen als sonst. Denn Wolf hatte die komplette zweite Halbzeit von der Tribüne aus miterlebt.
Gegen Ende der ersten Hälfte hatte Ingolstadts Michael Wenczel genau vor der Löwen-Bank Benny Lauth rüde von den Beinen geholt. Wolf, wegen seiner Sitzphobie ohnehin unentwegt durch die Coaching-Zone tigernd, war gleich zur Stelle. „Gelb oder Rot“, will Wolf zum Schiedsrichter gebrüllt haben. Das wiederum gefiel Ingolstadts Coach Thorsten Fink nicht, der auf Wolf losstürmte. Es hätte nicht viel gefehlt, und Derby hätte wohl noch ein Handgemenge zwischen den beiden Trainern hervorgebracht. Ein Aufreger, über den sich später bei „Premiere“ auch Trainer-Veteran Jörg Berger (64) ärgerte: „Wolf ist neu im Geschäft. Er macht sich keine Freunde, wenn er Karten für den Gegner fordert.“
Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer jedenfalls schickte beide Trainer auf die Tribüne. So kam es, dass Wolf in der Folge sein Kilometergeld dort oben sammelte. Wolf rannte fortan die Tribünentreppen hoch und runter und rief weiter lautstark seine Anweisungen Richtung Spielfeld. „Das war die Hölle für mich da oben auf der Tribüne“, erzählte er später. Schließlich sei 1860 eine Mannschaft, „die gecoacht werden muss“. Und er selbst sei jemand, der „ein Spiel mitleben“ müsste. Also coachte Wolf, also brüllte er, also gestikulierte er. So, als ob er nicht auf der Tribüne, übrigens ganz in der Nähe seiner Mutter und seiner Lebensgefährtin Katja, sondern noch am Spielfeldrand stehen würde.
Ebendort also, wo seit seiner Verbannung eben Markus Schroth stand, der dauerrekonvaleszente Teilzeit Co- und Spontan-Cheftrainer.
So ganz zuzutrauen schien sich Schroth die Rolle nicht. Immer wieder blickte er sich zu Wolf um, einmal ging er sogar zu ihm an die Tribünenabsperrung, um Anweisungen zu holen. Auch Torwarttrainer Jürgen Wittmann sicherte sich erst bei Wolf ab, ehe die Löwen ihre Wechsel tätigten.
Die Offiziellen ließen es gewähren. „Dass die Co-Trainer mit dem Cheftrainer auf der Tribüne kommunizieren, ist legitim“, sagte Schiedsrichterbeobachter Hans Scheuerer zur AZ. Gut gebrüllt, Wolf!
„Ich möchte meinem Trainer-Team ein Riesen-Kompliment machen“, sagte der Trainer. Auch wenn in Halbzeit zwei nicht mehr viel passiert war. 3:2 für die Löwen stand es schließlich schon zum Pausenpfiff. Genauso wie eine Woche zuvor beim 5:1 gegen St. Pauli waren die Löwen auch in Ingolstadt mit einem Paukenschlag in die Partie gestartet. Die zweite Spielminute hatte gerade begonnen, als Benny Lauth seine Torquote auf neun Treffer hochgeschraubt hatte.
Richtig packend wurde das Derby aber erst, nachdem Verteidiger Antonio Rukavina seinen Gegenspieler etwas zu ungestüm angriff (28.) und Daniel Jungwirth den fälligen Elfmeter verwandelte. Nur fünf Minuten später lag 1860 plötzlich hinten; Steffen Wohlfahrt nutzte eine kollektive Schlafsekunde der Löwen-Abwehr aus. Fast im Gegenzug glich Markus Thorandt per Kopf nach herrlichem Freistoß der Wolf-Entdeckung Michael Schick aus. Wieder per Kopf sorgte dann Lars Bender für die neuerliche Führung – und den ersten Sieg, den der Trainer Uwe Wolf auf der Tribüne einfuhr.
Filippo Cataldo