1860 drohen Geisterspiele
MÜNCHEN - Schiedsrichter attackiert, Torwart beworfen: Die Löwen schämen sich für die schlimmen Vorfälle beim 0:1 gegen Ahlen – und müssen nun wohl mit einer Platzsperre durch den DFB rechnen
Am Tag nach der Schande von Fröttmaning hielten sich die Löwen-Verantwortlichen zurück. Selbst der sonst so redselige Geschäftsführer Manfred Stoffers beließ es bei einer knappen Presseerklärung (siehe Ausriss).
Was sich beim 0:1 der Löwen gegen Ahlen abgespielt hatte, konnte einem ja auch die Sprache verschlagen: Ahlen-Torwart Sascha Kirschstein war von einem Feuerzeug, das aus dem 1860-Block geflogen kam, am Kopf getroffen worden. Und nach der Pleite stürmten zwei Anhänger den Platz. Einer davon schubste Schiedsrichter Markus Wingenbach, ehe beide vom Platz geführt und erkennungsdienstlich wurden.
Beim TSV 1860 schämen sie sich jetzt. „Dieses Spiel hat einige unerfreuliche Geschichten geschrieben“, meinte Trainer Ewald Lienen. „Das ist kriminell und gehört nicht auf den Fußballplatz.“
Stoffers teilte schriftlich mit: „1860 wird gegen beide Zuschauer, die anhand ihrer Kleidung eindeutig als Anhänger der Löwen zu identifizieren waren, ein dreijähriges Stadionverbot aussprechen. Darüber hinaus werden wir die beiden Fans für den uns entstehenden Schaden in Regress nehmen.“ In Zukunft werde Sechzig auch das Ordneraufgebot erhöhen. „Offensichtlich reichen 50 Sicherheitskräfte am Spielfeldrand nicht aus, um unkontrollierte Fanreaktionen zu verhindern.“
Eine Einsicht, die wohl zu spät kommt. Der DFB hat Ermittlungen gegen 1860 eingeleitet. „Wir haben den Bericht des Schiedsrichters erhalten und 1860 zur Stellungnahme aufgefordert“, sagte ein DFB-Sprecher. Nach AZ-Informationen droht dem Zweitliga-Elften nicht nur eine empfindliche Geldstrafe, sondern auch eine Platzsperre. Also Geisterspiele in der Allianz Arena.
Der TSV 1860 gilt beim DFB als Wiederholungstäter. In den beiden vergangenen Jahren war der Verein wegen Fehlverhaltens seiner Fans in acht Fällen zu insgesamt 37000 Euro Strafe verurteilt worden. Die U23-Mannschaft musste im Sommer in der Regionalliga ein Geisterspiel gegen Darmstadt austragen, weil die eigenen Fans zuvor beim 4:0 in Weiden Feuerwerkskörper aufs Spielfeld geworfen hatten. Vorgänge, die den neuerlichen Vorfall in seiner Beurteilung noch schwerwiegender machen könnten.
Ob auch die Rolle von Stadionsprecher Stefan Schneider diskutiert wird? Er hatte in der Arena über Mikrofon gesagt: „Löwen-Fans, bitte lasst euch nicht vom Ahlener Torwart provozieren!“ Keeper Kirschstein war freilich eher Opfer als Täter.
Nun soll DFB-Chefankläger Toni Nachrainer die Ermittlungen führen. Bei einer Verhandlung würde er aber wohl nicht auftreten – aus Befangenheitsgründen: Nachrainer war mal 1860-Profi (1976 bis 1980).
Er kennt sich also aus bei den Löwen. Und dürfte sich erinnern an 1982: Am 25. September stürmten Löwen-Fans bei einem Spiel gegen Schweinfurt (1:1) den Platz und schlugen den Schiedsrichter. Urteil damals: Zwei Spiele Platzsperre. Oliver Griss