Trotz und Tränen: Claudia Pechstein gibt nicht auf

Salt Lake City (dpa) - Den Tränen folgte die Trotzreaktion: Claudia Pechstein brauchte in Salt Lake City einige Minuten, bis sie den schweren Rückschlag verdaut hatte.
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"Golden Girl" Claudia Pechstein
dpa "Golden Girl" Claudia Pechstein

Salt Lake City (dpa) - Den Tränen folgte die Trotzreaktion: Claudia Pechstein brauchte in Salt Lake City einige Minuten, bis sie den schweren Rückschlag verdaut hatte.

Als sie im Gespräch mit Reportern zu schildern versuchte, wie sehr sie sich vom Eislauf-Weltverband ISU betrogen fühle, konnte sie die Tränen nicht zurückhalten. Doch wenig später gab sie sich schon wieder kämpferisch: «Das war definitiv nicht mein Karriere-Ende», behauptete sie. «Ich werde erst Ruhe geben, wenn die Gerechtigkeit gesiegt hat.» Ob sie ihre Karriere auch nach Ablauf ihrer Sperre am 8. Februar 2011 mit dann fast 40 Jahren fortsetzen gedenke, ließ sie jedoch offen.

Gleichzeitig richtete sie heftige Attacken an die Adresse der ISU und der Nationalen Anti-Doping-Agentur NADA. «Vielen Dank an die ISU, dass sie mich so im Regen stehen lässt. Wenn sie sich alle Sachen angeschaut hätten bei mir, wäre ich mit Sicherheit schon lange wieder im Weltcup dabei. Die ISU hat mir diese Chance genommen, sie wollen mich zermürben», kritisierte die wegen auffälliger Blutwerte gesperrte Berlinerin, nachdem sie in 4:04,59 mit Platz 13 im 3000- Meter-Rennen von Salt Lake City ihre einzige Olympia-Chance verpasst hatte.

«In jedem Moment, in jeder Sekunde» habe sie an ihren Fall denken müssen. «Und gerade das tut ja so weh: nichts gemacht zu haben und so der Arsch der Nation zu sein. Es ist doch wahnsinnig, wenn die NADA sagt, ich wäre vielleicht längst zurück, wenn ich die Hintermänner genannt hätte. Und Leute, die was getan haben, sind eher frei, oder was? Das alles ist so unverständlich für mich», meinte sie mit Schlucken im Hals und weinerlicher Stimme.

Erwirkt hatte Pechstein die Starterlaubnis für den ersten Wettkampf nach zehn Monaten mit einem Eilantrag. Das Schweizer Bundesgericht war überraschend ihrem Gesuch gefolgt, um ihr die letzte Olympia-Chance einzuräumen. Nach der Weisrussin Anzhelika Kotjuga, die vor drei Jahren ihren Start bei der Sprint-WM per Eilantrag erreicht hatte, ist sie erst die zweite gesperrte Eisschnellläuferin, der eine solche Chance gewährt wurde.

«Das tat schon sehr weh. Doch bereits mit ein paar Stunden Abstand betrachte ich die Sache wesentlich nüchterner und nicht mehr so emotional. Wenn ich mir die gesamten Umstände noch einmal vor Augen führe, kann ich verdammt stolz darauf sein, es überhaupt versucht zu haben», versuchte sich Pechstein selbst zu trösten. Rückhalt erhielt sie per SMS von ihrem ehemaligen Trainer Joachim Franke. «Du hast etwas ganz Großartiges geleistet. Ich glaube, es gibt keine Athletin in der Welt, die unter diesen Umständen auch nur annähernd in die Nähe einer 4:04 gekommen wäre», übermittelte Franke. Auch Bundestrainer Markus Eicher zollte Respekt: «Hut ab vor ihrer Moral, dass sie das ganze Jahr noch durchgezogen hat.»

An ihrem Frust änderte dies nichts. «Mehr war unter diesen Bedingungen nicht drin: Ich durfte nicht eher herfahren, ja nicht mal mit dem Team trainieren. Und es war der Wahnsinn: Ich komme ins Ziel und muss sofort zur Doping-Kontrolle. Normalerweise macht man das nach dem Rennen. Das alles ist kein Zufall. Ich habe seit zehn Monaten eine Wut auf die ISU.»

Ihre sechsten Olympischen Spiele kann sie nun abhaken. Die Weichen für ihre Zukunft werden nun vor dem Schweizer Bundesgericht gestellt. In der Revisions-Verhandlung, die erst im kommenden Jahr stattfinden wird, geht es für Pechstein um ihre Reputation und ihre berufliche Zukunft bei der Bundespolizei. In der Schweiz können aber nur noch Verfahrensfehler des Sportgerichtshofes CAS reklamiert werden. Dazu sollen im Hauptsache-Verfahren auch Tonbandaufnahmen als Argumente gegen die vom CAS bestätigte Sperre dienen. Ihr Manager Ralf Grengel bestätigte am Samstag einen entsprechenden Bericht des Nachrichtenmagazin «Focus». «Die Aufnahmen können beweisen, dass der CAS in seiner Urteils-Begründung entweder Dinge verfälscht oder nicht berücksichtigt hat», sagte Grengel der Deutschen Presse-Agentur dpa.

Fast völlig unter gingen aufgrund des Trubels um Pechstein die Top-Leistungen der anderen Deutschen: Jenny Wolf verbesserte bei ihrem 46. Weltcupsieg über 500 Meter ihren eigenen Weltrekord um 2/100 auf 37,00 Sekunden und erkämpfte den 400. Sieg deutscher Läuferinnen seit Schaffung der Weltcupserie im Jahr 1985. Stephanie Beckert kam als Zweite über 3000 Meter hinter der Tschechin Martina Sablikova zum fünften Mal im fünften Langstrecken-Rennen auf einen Podestplatz.

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