Triathletin Laura Lindemann: Streitbar, unbequem, erfolgreich

Laura Lindemann kommt zum Gespräch überpünktlich, es ist fünf vor zwölf, als sie am Donnerstagmittag ihr Fahrrad durch die Lobby des Mannschaftshotels am Frankfurter Ring schiebt.
Eine High-Tech-Maschine aus Karbon, siebeneinhalb Kilo leicht. Ein Mosaikstein, der ihr am Freitag den Titel bringen soll, bei der EM im Triathlon im Olympiapark. Als Zwischenschritt zu Olympia-Gold in zwei Jahren in Paris.
Laura Lindemann: "Eine sehr spezielle Schleife"
Die 26-Jährige aus Potsdam ist die aussichtsreichste deutsche Starterin im Dreikampf aus Schwimmen, Radfahren und Laufen. In München geht es über die Olympische Distanz, eineinhalb Kilometer durch den Olympiasee, 40 Kilometer auf dem Sattel, zuletzt ein 10-Kilometer-Lauf in vier anspruchsvollen Runden - die führen auf und ab, über den Olympiaberg und wieder runter.
"Eine sehr spezielle Schleife", sagt Lindemann, "so viele Höhenmeter machen wir selten. Aber es verspricht auch spektakuläre Fernsehbilder und beste Werbung für unseren Sport, ich hoffe, dass da ganz viele Menschen zusehen." Die Frage ist nur, ob sie auch etwas sieht.
Aber dazu später mehr...
Dreimal war Lindemann schon Weltmeisterin bei den Juniorinnen und in der U23, zweimal Europameisterin im Sprint (750m/20km/5km), zuletzt 2021. Inzwischen gibt es auch den Supersprint (500m/13km/3,5km), mehr Programm, mehr Wettkämpfe, der Jahreskalender der Triathleten wird immer voller.
Ein schwieriger Spagat und für manche eine unnötig künstliche Aufblähung des Wettkampfprogramms. Geschwommen, geradelt und gelaufen wird inzwischen von Anfang März bis Ende November, umso wichtiger ist die richtige Dosierung, gerade im Hinblick auf Paris 2024.
Riesenwirbel vor den Olympischen Spielen 2016
Während Lindemann am Büffet zu Seelachs und Gemüsereis greift, gibt ihr Trainer Ron Schmidt einen Einblick in die Trainingssteuerung Richtung Olympia.
Nach drei Wochen Urlaub im Dezember geht es mit dem gesamten Team zehn Tage zum Skifahren, danach ins Höhentrainingslager nach Namibia. Im Sommer stehen vier Wochen in der Höhe von Livigno an, Schmidt spricht von einem Masterplan für den Traum von Olympia-Gold. Einen lang ersehnten und bisher unerfüllten Traum auf einem steinigen Weg voller Schwierigkeiten, der komplizierter war als der Anstieg auf den Olympiaberg.
2016 gab es vor Rio Riesenwirbel, weil Lindemann trotz erfüllter Qualifikationskriterien nicht vom DOSB für Olympia nominiert wurde. In ihrer Verzweiflung schrieb sie gar einen offenen Brief an Kanzlerin Merkel und Innenminister de Mazière. "Eine Antwort bekam ich zwar nie", sagt sie jetzt, "aber das öffentliche Aufsehen könnte dazu geführt haben, dass ich doch mit durfte." Das erste olympische Abenteuer endete auf Platz 28, in Tokio war es immerhin schon Platz acht, in Paris soll's endlich aufs Podium, am besten ganz nach oben, gehen.
Hauptkonkurrentin dort wird vermutlich wie am Freitag die Französin Cassandre Beaugrand. Die gewann zuletzt im Juni das World Series-Event in Leeds. Schwierigkeiten drohen aber auch mit der Münchner Sonne. Lindemanns Trainer Schmidt erzählt, dass er am Mittwoch um 17.15 Uhr am Start der Schwimmstrecke stand, die zunächst Richtung Westen führt.
Zwei Medaillenchancen für Laura Lindemann
"Um diese Zeit blickt man genau in die tiefstehende Sonne", sagt er, er sei gespannt, ob wirklich alle auf dem richtigen Kurs blieben und nicht auch vor lauter Blendung die Wendeboje verpassen. Der Olympiasee und die schwierige Sache mit der Orientierung.
Laura Lindemann ist inzwischen zum Training aufgebrochen. Mit ihrem Karbon-Bike Runden drehen durch den Olympiapark. Sonntag startet sie mit der nächsten Medaillenchance, dann in der Mixed-Staffel (je 300m/6,8km/2km). Startzeit ist um 18 Uhr. Zumindest mit der Sonne wird's dann vermutlich einfacher.