Traum geplatzt: Silber für Eisflitzerin Jenny Wolf

Richmond (dpa) - Jenny Wolfs Traum vom ersten olympischen Gold ist geplatzt. Die Südkoreanerin Lee Sang-Hwa erwies sich in der Stunde der Entscheidung über 500 Meter nach zwei furiosen Rennen als die Stärkere und setzte sich mit 76,09 Punkten vor der Top-Favoritin aus Berlin (76,14) durch.
Wolf erkämpfte mit Eisschnelllauf-Silber die 70. olympische Medaille für die deutschen Kufenflitzer. Bronze ging an Wolfs Erzrivalin Wang Beixing aus China (76,63). «Ich versuche es noch einmal in vier Jahren», kündigte die Olympia-Zweite an, die «schon ein bisschen enttäuscht» war: «Ich hatte mir mehr vorgenommen, aber schon auf der Zielgeraden wusste ich, es hat nicht gereicht.»
Bereits im ersten Lauf musste die Weltrekordlerin nach einer Zwangspause wegen eines Sturzes der Niederländerin Annette Gerritsen und anschließendem Fehlstart in 38,30 Sekunden Sprint-Vierkampf- Weltmeisterin Lee (38,24) den Vortritt lassen. «Mannomann, das war doch gar nicht nötig, dass es so spannend wird», sagte ihr Trainer Thomas Schubert. 37,84 Sekunden genügten Wolf dann im zweiten Rennen nicht, um vor 7000 Besuchern im Olympic Oval von Richmond die Asiatin noch in de Schranken zu weisen: 37,85 Sekunden reichten ihr im zweiten Rennen für den Olympiasieg. Es war das zweite Eisschnelllauf- Gold für Südkorea, nachdem Tags zuvor Mo Tae-Bum den Männer-Sprint gewonnen hatte.
«Ich dachte, heute ist der Tag, wo es funktioniert, aber mental war ich nicht stark genug, das zu bewältigen», meinte Wolf. Einen beachtlichen elften Platz erreichte die Berliner Mittelstreckenspezialistin Monique Angermüller.
Im Vorfeld war eigentlich nur ein Zweikampf zwischen Wolf und der Chinesin Wang erwartet worden. Doch Lee hatte schon bei der Sprint- WM im japanischen Obihiro mit einem 500-Meter-Sieg über Wolf angedeutet, dass mit ihr zu rechnen ist.
Die beiden Top-Sprinterinnen des bisherigen Winters waren sich schon Wochen vor Olympia völlig aus dem Weg gegangen. Während Wolf demonstrativ ihre Stärke schon im Testlauf zur Schau stellte und stets selbstbewusst Gold als Olympia-Ziel ausgab, versteckte sich die Chinesin. Erst einen Tag vor der Entscheidung kam Wang von ihrer Hochland-Heimatbahn Calgary in die Olympia-Stadt und betrat nur einmal das Eis zum Training. Diese «Phantom»-Taktik war von deutschen Trainern mit Kopfschütteln kommentiert worden.
«Ich habe mich genauso vorbereitet wie immer. Nur, dass diesmal der Saison-Höhepunkt schon einen Monat früher liegt», erklärte Wolf, die von der Tribüne von den Berliner Eishockey-Cracks um Sven Felski und ihrem Freund Oliver Lotze angefeuert wurde, ihre Strategie.
Beim ersten spektakulären Zweikampf im Richmond Oval hatte die Weltrekordlerin im Vorjahr bei der WM einen Rückstand von 0,25 Sekunden im ersten Lauf gegen Wang noch in einen Sieg verwandelt und ihren drittes 500-Meter-Gold in Serie aus dem Feuer gerissen. «Wer so cool bleiben kann, hat immer einen Vorteil», meinte Anni Friesinger-Postmas Coach Gianni Romme, der im Vorfeld klar auf Wolf gesetzt hatte. Sechs Weltcupsiege der 31-Jährigen in acht Rennen dieses Winters hatten sie auch für andere Experten zur eindeutigen Favoritin gestempelt. «Wenn bei mir alles gut geht, wird es schwer mich zu schlagen. Mein Ziel kann nur Gold heißen. Etwas anderes nimmt mir auch keiner ab», hatte Wolf zuvor bekundet.