Tour ohne Tony: Ein Sturz zu viel für Martin

Die Tour de France läuft – ohne Tony Martin. Der Ex-Star hatte die Unfälle satt, wobei er über einen nun lacht. Neues Ziel: bessere Kinderfahrräder.
Martin Wimösterer |
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Blick zurück: Vor einem Jahr trainierte Tony Martin noch für die Tour de France, inzwischen hat er seine Karriere beendet.
Blick zurück: Vor einem Jahr trainierte Tony Martin noch für die Tour de France, inzwischen hat er seine Karriere beendet. © David Stockman/BELGA/dpa

Die Etappe der Tour de France am heutigen Mittwoch - sie wäre für Tony Martin wie gemacht gewesen. Anspruchsvoll, aber ohne Hochgebirge. Und mit einem Abschnitt, in dem das Fahrerfeld über Kopfsteinpflaster rattert. Genau auf so einer Etappe fuhr Martin als Ausreißer 2015 ins Gelbe Trikot.

Tony Martin und seine Stürze: "Da fragt man sich, ob es das noch wert ist" 

Doch der Star hat im Winter aufgehört, ein Jahr vor Vertragsende. Und doch kommt er vom Fahrrad nicht los. Wenn die Rahmen und Reifen, mit den er sich heute beschäftigt, ein paar Nummern kleiner sind: Kinderfahrräder.

Bei Tony Martin hat sich in den vergangenen Jahren schon viel um die Familie gedreht. Sie war nicht der Auslöser, aber der gute Grund dafür, dass der frühere Rad-Star seine Karriere beendete. In den vergangenen Jahren war der achtfache Weltmeister mehrmals gestürzt. "Da fragt man sich, ob es das noch wert ist", sagt er der AZ. "Ich habe eine Familie mit zwei Töchtern, die wollen, dass der Vater heil nach Hause kommt."

Er kam aber gegen Karriereende immer wieder mit Wunden nach Hause. Etwa vor einem Jahr von der Tour de France, nach zwei Unfällen. Der erste, ein Massensturz, ist berühmt: Ein Fan mit einem Plakat mit TV-Grüßen ("Allez Opi Omi") versperrte ihm den Weg. Grüße an die Familie als Ursache für den Massensturz - paradox.

Martin und das Fan-Plakat: "Sie hat alle mildernden Umstände verwirkt"

"Es war kein schöner Sturz, ich bin heftig mit dem Kopf aufgeprallt", sagt Martin, der mit hoher Geschwindigkeit unterwegs gewesen war. Entschuldigt hat sich Zuschauerin bei Martin nie. "Der Anstand hätte es geboten", meint er. "Aber ich will mit der Frau nix zu tun haben, sie hat alle mildernden Umstände verwirkt."

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Inzwischen lacht Martin, die Wunden sind längst genesen, sogar über diesen Sturz. Zumindest indirekt, weil dieser in der Szene zum Kulturgut geworden ist. "Er wird ja parodiert", erzählt Martin, er versteht den Scherz: Fans am Rand der Strecke verkleiden sich wie die berüchtigte Zuschauerin, halten stilechte Pappplakate hoch.

Martin über den Radsport: "Die potenziellen Gefahren werden immer mehr"

Trotz des positiven Drehs steht Martin zu seiner Entscheidung, ein Jahr vor Vertragsende aufzuhören. "Ich habe sie nie bereut", betont er. Eben auch wegen der Sicherheit für die Fahrer. Martin, ein Mann der Prinzipien, sprach das Thema schon seit Jahren an. "Ich habe vieles moniert. Wirklich was geändert hat sich im Radsport aber nichts. Es sind eher Gefahren dazugekommen, die potenziellen Gefahren werden immer mehr."

"Da kannst du die Tour nicht gewinnen, aber verlieren"

Weil es Änderungen in der Straßenbebauung gab und weil "Action, Trubel und Highlights" für die richtigen Bilder erwünscht seien. Er habe "eher das Gefühl", dass sich die Planer vor heiklen Stellen wie am Wochenende vor der Auffahrt auf die Ostseebrücke für das bereits nervöse Fahrerfeld zusätzliche "Gefahrenpunkte einfallen lassen". Alles für das Spektakel.

Auch der Radprofi Martin mochte einen gewissen Nervenkitzel, anspruchsvolle Etappen. Die fünfte Etappe am Mittwoch von Lille nach Arenberg, erzählt er, wäre die, die ihn als Fahrer an dieser Tour mit am meisten interessiert. Sie führt über Kopfsteinpflaster, ein riskantes, unfall- und pannenlastiges Terrain. "Da kannst du die Tour nicht gewinnen, aber verlieren", sagt er.

Auf der Kopfsteinpflaster-Etappe in diesem Jahr traut er dem Deutschen John Degenkolb (Team DSM) eine gute Rolle zu. "Wir haben ein paar Pfeile im Köcher, was Etappensiege angeht", sagt er mit dem Blick auf die deutschen Fahrer und verweist auf Nils Politt und Simon Geschke, die schon mal Tour-Etappen gewannen. Und Lennard Kämna sei einer für die Berge.

Die Bergetappen, die in der zweiten Woche anstehen, liebte er selbst nie. "Da geht es schlichtweg ums Durchkommen, ums Überleben. Da fängt man ganz früh an zu rechnen, wie viel Karenzzeit man hat - in diesem Jahr hätte man damit am besten schon in Dänemark begonnen", sagt er mit einem Augenzwinkern. Es ist ja nun rum für ihn.

Ein Spezialist für Kopfsteinpflaster: John Degenkolb.
Ein Spezialist für Kopfsteinpflaster: John Degenkolb. © picture alliance/dpa/BELGA

Martin ist froh, sich "nun mal alles in aller Ruhe anschauen zu können". Er hat sich für seine zweite Karriere vielschichtig aufgestellt, reist als Markenbotschafter immer mal wieder zu Rennen, wie etwa zum Tour-Auftakt in Dänemark. Gespräche mit den alten Kollegen? Hat er unterlassen, wegen Corona.

Außerdem arbeitet er an einer Sportschule in Kreuzlingen mit jungen Athleten - und beschäftigt sich mit Kinderfahrrädern für den urbanen Gebrauch. Aus Liebe zur Familie.

Er wollte für seine Tochter in einem Fahrradgeschäft ein Radl kaufen und war "enttäuscht", was ihm angeboten wurde. "Ich weiß ja, worauf es ankommt." Das wollte der Familienmensch Martin ändern. Zusammen mit zwei Partnern sei "aus einer fixen Idee ein schönes Projekt entstanden. Es sind gerade schwierige Zeiten, was die Lieferketten angeht. Aber ich habe ein sehr gutes Gefühl." Im Herbst will er damit dann konkret an die Öffentlichkeit gehen. Martin und das Fahrrad - die Erfolgsgeschichte könnte sich fortsetzen.

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