Tor de France: Gorilla, Gringo, Greipel

Drei Etappensiege hat der Sprinter bei der Tour bislang eingefahren. Dabei galt der Rostocker lange als Talent, dem die Härte fehlt.
von  Matthias Kerber

Limoux -  Andre Greipel schrie bei der Zieleinfahrt in Cap d’Agde die Freude über seinen dritten Etappensieg bei dieser Tour de France in den Himmel und riss dabei seinen linken Arm empor. Seine Arme sind es, die dem Rostocker, der am heutigen Montag seinen 30. Geburtstag feiert, auch seinen Spitznamen „Vanilla Gorilla” einbrachte. Greipel hat extrem lange Arme, die er – beim Sprint nicht gerade abträglich – gewaltig ausbreiten kann. Seine Konkurrenten verpassten ihm deswegen eben den Spitznamen Gorilla.

So martialisch der Spitznamen – er wird auch Gringo genannt, so zurückhaltend ist Greipel. Auf ebendiesem Unterarm hat er sich die Namen seiner Töchter Anna Sophie (8) und Luna Malou (2) tätowieren lassen. „Es war die Geburt unserer ersten Tochter, die mir klar gemacht hat, dass ich ein sehr guter Sprinter werden muss, damit ich meiner Familie ein sorgenfreies Leben ermöglichen kann”, sagte Greipel, der sich lange nicht entscheiden konnte, ob er Profi werden sollte – oder brav-bürgerlich als Bürokaufmann arbeiten sollte. Während der Ausbildung hat er seine Ehefrau Kristina kennen gelernt.

Dabei war sein Talent offensichtlich. Als Greipel zehn Jahre alt war, absolvierte der PSV Rostock ein Schnuppertraining für Radsport-Fans. Da es Winter war, wurde nicht geradelt, sondern gelaufen. Greipel überrundete alle Teilnehmer. Trainer Peter Sager, der schon Deutschlands einzigen Tour-Sieger Jan Ullrich entdeckt hatte, sagte zu Greipel: „Du darfst wiederkommen.”

Das tat er dann auch. Acht Jahre trainierte Sager dann seine Entdeckung, noch heute sind die beiden beste Freunde. Als Greipel bei der Tour 2011 erstmals eine Etappe gewann, saß Sager vor dem Fernseher und heulte vor Freude Rotz und Wasser. „Dabei bin ich eigentlich ein harter Hund”, sagte Sager, „aber der Andre ist mir ans Herz gewachsen. Er ist schon was Besonderes.”

Etwas Besonderes mit besonderen Angewohnheiten. So verdrückt er – von den ganzen Müsli-Essern seiner Zunft umgeben – gerne mal dicke Leberwurstbrote. Sein Lieblingsessen sind die selbstgemachten Kartoffelpuffer seiner Oma Lisbeth, das Lieblingsgetränk Leffe – ein belgisches Bier. So galt Greipel lange eher als großes Talent. Nicht aber als Siegsprinter. Ihm wurde fehlende mentale Härte nachgesagt. Sechs Jahre fuhr er bei HTC Columbia in einem Team mit dem britischen Topsprinter Mark Cavendish. Der ist ein großer Sprücheklopfer, der es besonders auf den vermeintlich nervenschwachen Greipel abgesehen hatte. „Selbst an meinen schlechtesten Tagen bin ich schneller als Greipel”, stänkerte Cavendish. Greipel echauffierte sich über den „Egoisten” Cavendish. Der schnappte Greipel bei der 2.Etappe noch den Sieg weg, doch jetzt hat Greipel schon drei Mal gewonnen. Und das, obwohl er bei dieser Tour zwei Mal kapital stürzte und dabei auf der bereits zwei Mal operierten Schulter landete. Einmal kugelte er sich die Schulter aus, eine dritte Operation nach der Tour und nach Olympia ist für den WM-Dritten 2011 wohl unumgänglich.
„Greipel ist ein Kraftmonster”, sagte Sean Kelly, der Sprintdominator der 80er. Und Deutschlands Sprintlegende Erik Zabel befand: „Andre ist auf dem Weg, ein ganz Großer zu werden.” „Das hier ist ein Traum, ich will bei Olympia was reißen. Dann schauen wir weiter”, sagte Greipel, lächelte und winkte mit seinen langen Armen ins Publikum.

Ein sanfter Gorilla.

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