Toni Sailer: Vorwurf der Vergewaltigung und Vertuschung

Kitzbühel, München - Die Sache ist heikel. Es geht um einen Mann, der 2009 gestorben ist und bereits zu Lebzeiten eine Legende war. Nun jedoch ist der Vorgang, den das österreichische Justizministerium einst unter der Geschäftszahl 85797/74 abgelegt hat, wieder ausgegraben worden. Vor den Rennen in Kitzbühel (alle Infos zur Streif im AZ-Special) holte der Standard die Akte Toni Sailer wieder ans Licht und in Österreich herrscht Aufregung.
Sailer, der „schwarze Blitz“ aus Kitzbühel, 1956 der erste dreifache Olympiasieger im alpinen Ski-Rennsport, ist in Österreich Säulenheiliger und „Jahrhundertsportler“. Aber: Im März 1974 soll er am Rande des Weltcups im polnischen Zakopane eine 28 Jahre alte Prostituierte misshandelt haben. Sailer war damals 38 und Alpinchef des Österreichischen Ski-Verbandes. Der Vorwurf der Behörden: "Notzucht", Vergewaltigung. Dies geht aus den Akten des Standard hervor.
Pikant: Auch die österreichische Regierung schaltete sich damals ein. Doch nach der Ausreisegenehmigung Sailers ging der Fall zu den Akten. Weder in Polen noch in Österreich wurde Sailer der Vergewaltigung angeklagt.
Massenblatt fordert: "Lasst Ski-Legende Sailer ruhen!"
In Österreich wird nun weniger darüber diskutiert, ob Sailer einst eine angebliche Nebenerwerbsprostituierte vergewaltigt haben könnte – es wird, befeuert durch die auflagenstarke Kronenzeitung, darüber gestritten, ob der Ruf eines Toten nachträglich durch derartige Veröffentlichungen beschädigt werden müsse. Die Krone, das muss man wissen, ist Medienpartner des ÖSV und allzeit bereit, ihm zur Seite zu springen. Entsprechend die Überschrift am Donnerstag auf Seite 1: "Lasst Ski-Legende Sailer ruhen!".
Und auch Politiker springen Toni Sailer zur Seite. Tirols Landeshauptmann Günther Platter sagte am Vorabend der Rennen von Kitzbühel: "Das ist eine Sauerei, was da aufgeführt wird - nach so vielen Jahrzehnten und mehr als acht Jahre nach seinem Tod." Österreichs neuer Vizekanzler Heinz-Christian Strache, der auch für den Sport zuständig ist, verurteilte "die miese Kampagne gegen das Andenken der österreichischen Ski-Legende Toni Sailer". Strache bezeichnete das Vorgehen der als "geschmacklos und zudem pietätlos". Die Berichte würden nicht nur Sailers Andenken, sondern auch dem Wintertourismus einen Schaden anrichten.