Tommys Schmerz und Angies Tränen
Deutschlands beste Tennisspieler scheiden bei den US Open im Achtelfinale aus. Haas will erst einmal „totalen Abstand” – Kerber hadert mit „zwei Jahren Extremsituationen”.
New York - Es waren schon weit über zwei Stunden in abendlicher Schwüle im Louis Armstrong-Stadion gespielt, als sich auf dem alten Centre Court der US Open eine Szene voller Symbolgehalt ereignete. Gerade hatte Tommy Haas ein blitzsauberes Ass ins Feld seines Rivalen Michail Juschni geschlagen, da gellte der schrille Ruf der Linienrichterin durch die Arena: „Fußfehler.” Haas hätte, wie oft in solchen hitzigen Momenten, vor lauter Wut explodieren können. Doch der Alterspräsident der Profitour (35) starrte nur ungläubig herüber zu der Frau, die gegen ihn eingeschritten war, schüttelte kaum merklich mit dem Kopf und spielte dann einfach weiter, als sei gar nichts geschehen.
Es war nicht der Tag von Haas. Und es war auch irgendwie gar nicht Haas, wie man ihn kannte und schätzte aus den letzten Monaten. Nur wie ein deutlich matteres Abbild seiner selbst wirkte der Unermüdliche, der emotional sonst so Aufgeladene, der mit seinem 58. Fehler um genau 20.28 Uhr Ortszeit höchstselbst die Grand Slam-Kampagne 2013 im Big Apple beschloss – als ziemlich bedröppelter 3:6, 2:6, 6:2, 3:6-Drittrundenverlierer gegen Juschni. „Es war ein Tag, an dem nichts zusammenpasste. Die Schulter hat geschmerzt, die Beine waren schwer, das Gefühl für die Schläge war nicht da", sagte der deutsche Nummer 1-Spieler, „da kann man dann auch nichts holen hier.”
Sein trister, unerwarteter Abschied fügte sich ins Bild eines schwarzen Sonntags im Billie Jean King-Tenniszentrums, verstärkte sogar noch den Frust, den Angelique Kerbers dramatische 6:4, 3:6, 6:7 (3:7)-Achtelfinalpleite gegen die Spanierin Carla Suarez-Navarro ausgelöst hatte – ebenfalls im Armstrong-Stadion. Genau wie bei Haas saß auch bei Kerber der Schock über den jähen Schluss-Punkt für die US Open-Mission tief: „Der Ärger wird noch ein paar Tage bleiben. Das muss ich erst mal verdauen”, sagte die Kielerin, die sich den Fehltritt mit zu zögerlichem, passivem Spiel auf der Zielgeraden eingehandelt hatte. Im dritten Satz hatte Kerber bereits mit 4:2 geführt, ehe sie die Initiative fast ganz zurücknahm und in einem niedrigeren Gang die 161 Minuten-Partie doch noch abgab. „Solche Matches muss sie sich einfach entschlossener nehmen”, sagte Fed Cup-Chefin Barbara Rittner, „so bringt sie sich am Ende selbst um den Lohn ihres ganzen Kampfes.”
Haas und Kerber waren in New York auch mit dem Ziel angetreten, über ein starkes, vielleicht sogar herausragendes Grand Slam-Resultat noch ernsthaft ins Qualifikationsrennen für die Weltmeisterschaften im Oktober (Damen) und November (Herren) eingreifen zu können. Doch beim letzten Major der Saison spielten beide nicht mehr auf der Höhe ihrer Tenniskunst.
So waren die Verschleißerscheinungen einer bereits äußerst strapaziösen Saison bei Haas unübersehbar, der 35-jährige, von seiner eigenen Klasse etwas überrascht, hatte in New York schlicht zu viele Spiele auf dem Buckel. „Ich habe in diesem Jahr eine Menge Turnierengagements eingeplant, weil ich nicht wusste, wie es läuft”, sagte Haas, „dann kamen aber die guten Resultate in Paris und Wimbledon. Und eben auch die deutschen Turniere danach, die ich spielen wollte.” Gemerkt habe er die Zahl seiner Auftritte deshalb schon, so Haas, "die Schulter tat mir auch in Montreal schon weh." Nun brauche er „total Abstand vom Tennis”, sagte er, „zehn Tage will ich jetzt mindestens keinen Schläger mehr sehen.”
Und Kerber? „Ich bin jetzt fast zwei Jahre lang nur durch Extremsituationen gegangen", sagte die 25-jährige nach ihrem bitteren Aus mit tränenfeuchtem Blick, „das hat verdammt viel Kraft und Substanz gekostet. Aber ich werde stärker aus all diesen Erfahrungen herauskommen.”