Timo Glock: "Hamiltons Lifestyle gibt ihm Energie"
AZ: Herr Glock, vor kurzem fuhren Sie noch das DTM-Finale in Hockenheim, jetzt begleiten Sie die Formel 1 durch Nordamerika. Ganz schön stressig, oder?
TIMO GLOCK: Das schon, aber ich bin happy mit dem, was ich mache. Sowohl als Rennfahrer bei BMW als auch im Job bei RTL habe ich richtig viel Spaß.
Nach Austin/Texas fährt die Formel 1 am Wochenende schon wieder in Mexiko-Stadt. So richtig spannend wird es aber nicht mehr, oder?
Der Titelkampf ist wohl entschieden. Leider. Bei Sebastian Vettel scheint die Luft irgendwie raus zu sein. Man muss aber auch sagen: Lewis Hamilton fährt in diesem Jahr in einer eigenen Liga, macht einfach einen super Job. Sebastian kann nur noch auf Defekte bei Mercedes hoffen.
Also noch ein kleines bisschen Resthoffnung für Vettel?
Was heißt Hoffnung. Es war ja vor Austin schon schwer und nun ist es noch viel schwerer. Aber theoretisch ist es noch drin. Und solange es rechnerisch noch möglich ist, wird Sebastian kämpfen.
Wie haben Sie Sebastian Vettel in Austin erlebt, wie frustriert war er?
Persönlich habe ich nicht mit ihm gesprochen, aber man hat es ja auf dem Siegerpodest gesehen, wie niedergeschlagen er war. So wie ich ihn kenne, wird er das aber abschütteln und im nächsten Jahr wieder voll angreifen. Er ist Profi genug, hat schon viel erlebt und kann eine Saison wie diese wegstecken.
Zu Jahresbeginn sah alles nach einem packenden Duell bis zum Schluss aus. Woher kommt diese Hamilton-Dominanz seit der Sommerpause?
Ganz einfach: Das Gesamtpaket stimmt jetzt. Mercedes hat es geschafft, aus einem launenhaften Auto, das es zu Beginn der Saison war, alles rauszuholen und alle Schwächen zu eliminieren. Dazu haben die Silberpfeile gegenüber allen anderen Autos immer noch einen großen Leistungsvorteil, den sie gerade in der zweiten Saisonhälfte perfekt ausgespielt haben.
Und Hamilton? Wie groß ist sein Anteil?
Er fährt konstant stark, zeigt kaum Nerven, lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Er nutzt die Fähigkeiten seines Autos perfekt aus. Das macht ihn in diesem Jahr so erfolgreich.
Sie kennen Vettel und Hamilton aus Ihrer aktiven Zeit in der Formel 1. Was unterscheidet die beiden?
Hamilton hat einen ganz anderen Lebensstil. Er richtet den Fokus schon mal auf andere Dinge, man sieht das ja auch in den sozialen Netzwerken. Aber das gibt ihm scheinbar, was er braucht, um erfolgreich zu sein. Sebastian ist dagegen ein Familienmensch, der am besten zu Hause abschalten kann.
Ist Hamilton im Fahrerlager genauso, wie er sich im Internet präsentiert?
Das kann man schon so sagen. Er fällt definitiv auf mit seinen Klamotten oder seinem Hund, den er dabei hat. Klar, er polarisiert, aber er steht auch dazu. Und der Formel 1 tut so ein Typ natürlich gut. Man muss sich ja nur mal die Zahlen anschauen, wieviele Fans er auf Facebook, Instagram etcetera hat. Das spricht für sich.
Aber wie kann das sein, dass er Zeit für Reisen, Partys und Social Media hat und trotzdem so erfolgreich ist?
Das zeigt halt, dass ihm sein Lifestyle keine Energie raubt, sondern gibt. Hamilton ist ja trotzdem professionell, er weiß, wann er auf die Bremse treten muss. Dazu hat er scheinbar ein gutes Umfeld, dass ihn in Sachen Social Media und Fanarbeit unterstützt und ihn gut präsentieren kann.
Und wessen Art ist Ihnen sympathischer, die von Vettel oder Hamilton?
(lacht) Das ist schwierig zu beantworten, wenn man Sebastian schon länger kennt. Er ist mein Landsmann, da bin ich etwas befangen. Aber grundsätzlich ähnelt mein Lebensstil mehr dem von Sebastian.
Vettels minimale Chance beiseite, worum geht es für ihn noch in den verbleibenden Rennen?
Er wird jetzt sicher nicht aufstecken und sich noch so gut wie möglich präsentieren wollen. Es geht ja auch noch darum, Rennen zu gewinnen. Außerdem lauert Valtteri Bottas auf den zweiten Platz in der Gesamtwertung, den wird Ferrari unbedingt verteidigen wollen. Da geht es jetzt auch um Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen. Und eines ist auch klar: In Austin haben wir nicht das wahre Leistungsbild gesehen. Es ist nicht normal, dass Sebastians Reifen so schnell abbauen. Nicht nach zwei oder drei Runden. So viel schwächer ist Ferrari nämlich nicht als Mercedes.