Tim Wiese und sein Wrestling-Kampf in München - "Er hat Charisma, er ist ein Showmaker"

Am Donnerstag steigt Tim Wiese in der Olympiahalle in München erstmals in den Wrestling-Ring. Im AZ-Interview spricht Ex-Wrestler Alex Wright über Wieses Debüt. "Er muss auf sein Herz aufpassen."
von  Interview: M. Koch
Alex Wright bei einem Wrestling-Kampf im Jahr 2000.
Alex Wright bei einem Wrestling-Kampf im Jahr 2000. © imago

Der 41-jährige Alex Wright kämpfte jahrelang in der US-Wrestling-Liga WCW. Heute leitet er die Wrestling-Schule "The Wright Stuff – Pro Wrestling School" in der Nähe von Nürnberg. Die AZ hat ihn vor Tim Wieses Wrestling-Debüt zum Interview getroffen.

AZ: Tim Wiese kommt am Donnerstag nach München, gibt sein Wrestling-Debüt in der Olympiahalle. Das lassen Sie sich als Deutschlands erfolgreichster Wrestler sicher nicht entgehen, oder, Mr. Wright?
ALEX WRIGHT: (lacht) Doch. Ich habe am Wochenende eine Wrestling-Veranstaltung, deshalb schaffe ich es nicht. Aber sonst hätte ich es mir schon angeschaut. Ich denke, man wird in den Nachrichten detailliert erfahren, wie es war.

Dann lassen Sie uns trotzdem Ihre Experten-Einschätzung da: Was darf man von dem Wrestler Wiese erwarten?
Ich denke schon, dass er sich gut vorbereitet hat. Als ehemaliger Fußballprofi weiß er ja, wann er abzuliefern hat. Und er ist nicht allein im Ring, er hat zwei Partner, es ist ein Six-Man-Tag-Team-Match. Da kann ihm nichts passieren.

Sie meinen, es war ein cleverer Zug der WWE, ihm bei seinem Debüt zwei erfahrene Wrestler zur Seite zu stellen mit Cesaro und Sheamus?
Genau. Wenn es mal schwierige Momente geben sollte, in denen er vielleicht nicht weiter weiß, hat er zwei Profis mit im Ring, die ihm helfen können. Ich denke, die WWE will da auf Nummer sicher gehen, dass sein Debüt auch klappt. Das ist verständlich. Andererseits könnte man sagen, dass Wiese dann wohl auch noch nicht so weit ist, sonst hätte er ein Single-Match bekommen.

"In so kurzer Zeit 40 Kilo zuzunehmen, ist nicht ungefährlich"

Wie war das bei Ihnen, wie lang haben Sie vor Ihrem ersten Match trainiert?
Bei meinem Profi-Debüt war ich 16, das war damals in Wuppertal, das weiß ich noch ganz genau. Aber eigentlich habe ich von Kindesbeinen an auf diesen Tag hingearbeitet, immer wieder mit meinem Vater trainiert, der auch Wrestler war. Man kann nicht genau sagen, wie viel Training man vorher braucht. Wiese hat natürlich gute Voraussetzungen, weil er Profi-Fußballer war.

Sie sprechen es an: Wiese dürfte konditionell keine Probleme bekommen.
Beim Wrestling-Training hilft ihm seine Fußball-Erfahrung natürlich nur bedingt. Aber er hat die mentale Seite drauf, er weiß, wann er sich auf den Punkt konzentrieren muss. Das ist ein großer Vorteil, davon profitiert er jetzt. Und er will das unbedingt, er will den Fans etwas zeigen, das merkt man in seinen Interviews. Von der körperlichen Beanspruchung ist es aber etwas ganz anderes.

Inwiefern?
Beim Fußball werden vor allem die Beine trainiert, Wrestling ist ein Ganzkörpersport. Es ist sehr komplex, Griffe, Würfe, Moves, Springen, Rennen et cetera. Und den konditionellen Vorteil dürfte Wiese inzwischen verloren haben, weil er ja auch sehr an Gewicht zugenommen hat, an die 40 Kilo.

Ja, das kommt etwa hin. Wiese hat kürzlich im AZ-Interview gesagt, dass er deshalb auf seine Ernährung achten und geschmeidiger werden muss.
Nicht nur das. Er muss auf sein Herz aufpassen. In so kurzer Zeit 40 Kilo zuzunehmen, ist nicht ungefährlich. Das ist so, als würdest du einen Trabi-Motor in einen Porsche reinsetzen. Das funktioniert nicht.

Was ist schwieriger zu lernen für Wiese: Das Körperliche, die Moves – oder der schauspielerische Aspekt?
(lacht) Also erstmal: Das Wort schauspielern mag ich gar nicht in Bezug auf Wrestling. Klar, er muss diesen Showaspekt draufhaben. Entweder das hast du oder nicht. Aber das, was ich bisher von ihm gesehen habe in Interviews, war überzeugend. Wiese hat Charisma, er kann mit den Leuten umgehen, er ist ein Showmaker, er kann reden. Und er hat den Body, er sieht gut aus. Deshalb wird das für ihn nicht schwer, sich zu verkaufen.

Und was wird schwer für ihn?
Ihm fehlt einfach die Wrestling-Erfahrung, die Ringpsychologie. Und die Moves sind nicht so leicht zu lernen. Meine Jungs hier an der Schule brauchen dafür ein- bis zweieinhalb Jahre. Und die trieze ich richtig, mehrmals die Woche. Nein, im Ernst: Wrestling ist Sport-Entertainment, aber man muss das Handwerk lernen. Wenn Wiese also mehr sein will als eine PR-Nummer, muss er sich ein Repertoire an Moves, an Können erarbeiten.

Glauben Sie denn, dass es bei diesem einen Auftritt für Wiese bleibt – oder kann er tatsächlich eine zweite Karriere starten?
Solche PR-Nummern gibt es immer wieder. Aber wenn ich es aus WWE-Sicht sehe, funktioniert es bisher sehr gut. Die Medien sind aufgesprungen, warum sollten sie das canceln? Außer natürlich, Wiese wäre charakterlich schwierig hinter den Kulissen. Sonst sehe ich keinen Grund, warum das nur einmalig sein soll. Die WWE wird das so lange machen, wie Wiese von Nutzen ist.

Kann es denn auch in den USA mit Wiese funktionieren, wo ihn keiner kennt?
Durchaus, Wiese wäre ein wichtiges Zugpferd für den deutschen Markt. Die großen US-Shows werden auch in Deutschland ausgestrahlt, deshalb würde es Sinn machen, ihn dort aufzubauen und mehr Einschschaltquote zu erzielen.

Zum Abschluss: Wird Wiese der Good Guy oder Bad Guy?
Donnerstag sicher der Good Guy, aber in den USA könnte ich ihn mir auch als Bösewicht vorstellen.

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