Thränhardt: „Härter trainieren!“
Carlo Thränhardt hält seit bald 15 Jahren den deutschen Rekord im Hochsprung. Was er den mäßig erfolgreichen Nachfolgern empfiehlt.
AZ: Herr Thränhardt, Ihr deutscher Rekord mit 2,37 Meter jährt sich in Kürze zum 25. Mal. Da schmeckt ja überhaupt niemand hin.
CARLO THRÄNHARDT: Und mir schmeckt das gut!
Aber wie kommt das? Wie ist es um den deutschen Hochsprung bestellt?
Naja, zwei Gute gibt es gerade. Eike Onnen hatte ein bisschen Verletzungspech, hat eine Bestleistung von 2,34 Meter, konnte sich aber nicht qualifizieren. Der andere ist Raul Spank. Der ist ein richtig Guter, hat auch ein gutes Selbstbewusstsein. Dem traue ich 2,34 Meter zu. Damit hätte er die Chance auf Bronze.
Wie Sie schon sagen: Es sind nur die zwei, und es sind Höhen, die sind...
...überschaubar.
Genau. Zumindest im Vergleich zu den großen Zeiten von Carlo Thränhardt und Dietmar Mögenburg.
Stimmt. Wir sind ja jede Woche gesprungen. Wir waren wirklich Profis – und so haben wir auch trainiert. Es wird immer über Doping gesprochen, sicher oft zu Recht. Aber man kann eben auch, wenn man härter trainiert als alle anderen, jeden Tag zwei Mal, auch zu einer absoluten Weltklasseleistung kommen. Das wird oft unterschätzt. Ich habe gehört, viele Leichtathleten trainieren sechs, sieben Mal pro Woche. Das sind gerade mal 14, 15 Stunden. Das ist zu wenig.
Wissen Sie, wie derzeit die Trainingsarbeit der DLV-Springer aussieht?
Spank trainiert schon sehr ordentlich. Er verfolgt auch einen sehr professionellen Ansatz. Onnen hat das Problem, dass er nach seiner Verletzung Schrauben im Fuß hat. Es ist ja auch die Frage: Wie viel hält der Körper aus?
Wie war das zu Ihrer Zeit?
Wir hatten das Glück, diese Konkurrenz im eigenen Land zu haben. Und dann kamen Sjöberg und Sotomayor, die Russen waren stark – wir haben uns da hochgeschaukelt, auch an Rekorden. Für mich war ja immer die Vision, Rekorde aufzustellen. Ich wollte der Erste über 2,30 Meter sein, der Erste über 2,40 Meter. Ich war fixiert auf Rekorde, Mögenburg eher auf Medaillen und Meisterschaften. So haben wir uns die Sachen eigentlich gut aufgeteilt.
In solche Verlegenheiten kommen deutsche Springer ja seit Jahren nicht mehr. Was läuft da schief?
Ich hatte vor vier, fünf Jahren angeboten, mich mit den Heimtrainern turnusmäßig alle zwei, drei Monate zu treffen, um ihnen meine Philosophie nahezubringen. Darauf wurde nie zurückgegriffen. Das kann ich nicht nachvollziehen. Man hat mich nicht gefragt, Mögenburg genausowenig. Dann eben nicht. Man will sich ja nicht anbiedern.
Sind Hochspringer eigentlich Einzelkämpfer oder tut man sich gerne zusammen?
Wir haben uns damals zusammen getan, hatten praktisch in jedem Training eine Wettkampfsituation. Wenn das Training eine höhere Qualität hat, hat der Wettkampf eine umso höhere. Ob das 150 Meter-Tempoläufe oder Horizontalsprünge waren – es ging immer bis ans Limit.
Wie lange haben Sie mit Mögenburg so trainiert?
Diesen Spaß hatten wir über zehn Jahre lang.
Offenbar will sich das heute kaum noch jemand antun. Eine Leistungsdichte wie in den 80er Jahren gibt es bei weitem nicht mehr.
Stimmt. Wir hatten fünf Leute über 2,30 Meter. Das ist halt ein harter Job. Für die Jugendlichen ist es oft leichter, Fun-Sportarten auszuprobieren, und wenn es nicht so funktioniert, geht man zur nächsten. Man braucht halt ein paar Jahre Entwicklung, um wirklich gut zu werden. Und wenn du das irgendwann mal geschafft hast, kannst du auch lange Jahre davon profitieren. Aber diesen harten Weg am Anfang wollen wenige gehen.
Interview: Thomas Becker
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