Thomas Bach ist erster deutscher IOC-Präsident
Thomas Bach ist erster deutscher Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Der 59 Jahre alte Wirtschaftsanwalt setzte sich bei der Wahl in Buenos Aires im zweiten Wahlgang mit der absoluten Mehrheit der 93 wahlberechtigten IOC-Mitglieder gegen vier verbliebene Konkurrenten durch.
Buenos Aires – Thomas Bach ist nach einem triumphalen Durchmarsch neuer Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) und regiert damit als erster Deutscher den Weltsport. Der 59 Jahre alte Top-Favorit aus Tauberbischofsheim erreichte bei der 125. Session in Buenos Aires schon im zweiten Wahlgang die notwendige absolute Mehrheit. Bach tritt damit an der Spitze des Ringeordens die Nachfolge von Jacques Rogge an.
Am Ende seiner zwölfjährigen Amtszeit öffnete der Belgier um 12:41 Uhr Ortszeit (17.41 Uhr MESZ) den Siegerumschlag und verlas den Namen "Thomas Bach". Für den Fecht-Olympiasieger von 1976 schließt sich 32 Jahre nach seinem internationalen Durchbruch als Sport-Funktionär 1981 beim IOC-Kongress in Baden-Baden der Kreis. Als erst neunter Präsident seit ihrer Gründung 1894 wird der Wirtschaftsanwalt die Weltregierung des Sports mindestens in den kommenden acht Jahren und höchstens die nächsten zwölf leiten.
Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) verliert dagegen seinen Gründungspräsidenten und unangefochtenen Anführer. Nach Jahren des Strippenziehens und einem monatelangen Wahlkampf ließ der auch im IOC mitunter kritisch betrachtete Bach seinen Konkurrenten am Dienstag im Hilton Buenos Aires keine Chance. Mit der absoluten Mehrheit der 93 wahlberechtigten IOC-Mitglieder versetzte er schon im zweiten Wahlgang seinen vier verbliebenen Konkurrenten Richard Carrion (Puerto Rico/60), Ng Ser Miang (Singapur/64), Denis Oswald (Schweiz/66) und Sergej Bubka (Ukraine/ 49) den K.o. Außenseiter Wu Ching-Kuo (Taiwan/66) war im ersten Wahlgang nach einer Stichwahl mit Ng ausgeschieden.
Oswald hatte noch am Tag vor der Wahl Bach für dessen Verbindung zum IOC-"Königsmacher" Scheich Mohamad al-Sabah heftig attackiert – doch Bachs Allianz hielt. Die Wahl Bachs läutet nun eine neue Ära im Weltsport ein. Mit Spannung darf erwartet werden, wie der mit allen Wassern gewaschene Wirtschaftsanwalt als Nachfolger des seit Jahren gesundheitlich schwer angeschlagenen Rogge sein Wahlmanifest in die Tat umsetzt. "Einheit in Vielfalt" propagierte er, kündigte an, ein "Präsident für alle" zu werden.
Einen strikten Kampf gegen Doping und Wettbetrug will er führen, Afrika als Olympia-Gastgeber die Tür öffnen, dem Gewinnstreben um jeden Preis Einhalt gebieten – und er scheut auch vor ganz großen Projekten wie der Einführung eines Olympia-TV-Kanals nicht zurück. Schon im kommenden Jahr steht ihm eine gewaltige Herausforderung ins Haus: die Winterspiele in Sotschi, die nicht nur wegen Wladimir Putins Anti-Homosexuellen-Gesetz schon jetzt im Kreuzfeuer der Kritik stehen.
Aber auch der deutsche Sport steht am Wendepunkt. 2006 war Bach erster Präsident des neu gegründeten DOSB geworden, Führungsdiskussionen hat es seitdem nie gegeben. Hans-Peter Krämer, Vizepräsident Wirtschaft und Finanzen, wird mit dem Rücktritt Bachs, der spätestens bei der Präsidiumssitzung Anfang kommender Woche erfolgen wird, den Chefposten vorübergehend übernehmen. Der Chef der Deutschen Krebshilfe ist 72 Jahre alt und hat keine Ambitionen auf ein längerfristiges Engagement.
Einen logischen Bach-Nachfolger gibt es nicht, nicht wenige Insider erwarten im deutschen Sport nun ein Hauen und Stechen, denn der große Leader ist weg. Zahlreiche Prominente von Bundeskanzlerin Angela Merkel über Franz Beckenbauer bis Dirk Nowitzki hatten Bach vor der Wahl Glück gewünscht. Doch auf Glück allein wollte Bach, der brillante Taktiker, noch nie vertrauen. Auf dieses Amt hatet er vielmehr seit Jahren hingearbeitet. Alles fing 1981 beim IOC-Kongress in Baden-Baden an.
Bach gehörte damals der legendären ersten IOC-Athletenkommission an, die mächtig auf den Putz haute und die altgedienten Funktionärsriegen aus Ost und West mit jeder Menge Selbstbewusstsein und der Forderung nach lebenslangen Dopingsperren aufschreckte. Nichts konnte seine Karriere stoppen. 1991 kam er ins IOC, 1996 in die Exekutive, 2000 wurde er zum Vizepräsidenten gewählt und immer mit traumhaften Wahlergebnissen im Amt bestätigt.
Er lenkte den großen IOC-Bestechungsskandal vor den Spielen von Salt Lake City geschickt aus dem Licht der Öffentlichkeit und gab sich als Leiter der juristischen Kommission stets als strikter Kämpfer gegen Doping. Vor allem seine vielfältigen Kontakte in die Wirtschaft brachten ihn bis kurz vor "seiner" Wahl immer wieder in Bedrängnis, doch nach zahlreichen Finten und Paraden steht er nach wie vor, zumindest offiziell, als Saubermann da.
Zuletzt geriet Bach wegen seiner zögerlichen Haltung im Anti-Doping-Kampf und seiner umstrittenen Präsidentschaft in der deutsch-arabischen Handelsgruppe Ghorfa vermehrt unter Beschuss. Und seine Kritiker sind bis heute überzeugt, dass die Darstellung des Multifunktionärs, von so ziemlich allen Skandalen um Doping und Korruption im IOC nie etwas mitbekommen zu haben, unglaubwürdig ist. Das alles kann Bach nun egal sein. Er hat sein großes Ziel erreicht.