Thoma: „Viele bleiben oben am Hügel kleben“

Ulrike Gräßler gewinnt Silber bei der WM-Premiere der Skispringerinnen. Experte Thoma spricht über Vorurteile, springende Mädchen in der Vorpubertät und das Potenzial der Sportart.
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Die ersten Medaillengewinner des Frauen-Skisprungs: Weltmeisterin Lindsey Van (Mitte) mit Silbermedaillengewinnerin Ulrike Gräßler (rechts) und der Norwegerin Anette Sagan.
AP Die ersten Medaillengewinner des Frauen-Skisprungs: Weltmeisterin Lindsey Van (Mitte) mit Silbermedaillengewinnerin Ulrike Gräßler (rechts) und der Norwegerin Anette Sagan.

Ulrike Gräßler gewinnt Silber bei der WM-Premiere der Skispringerinnen. Experte Thoma spricht über Vorurteile, springende Mädchen in der Vorpubertät und das Potenzial der Sportart.

LIBEREC Nach dem ersten Durchgang lag sie noch vorn, am Ende freute sich Ulrike Gräßler auch über den zweiten Platz. Beim ersten Frauen-Skispringen in der WM-Geschichte holte die 21-Jährige aus Klingenthal Silber hinter Lindsey Van (USA). „Das war Werbung für unseren Sport“, strahlte Gräßler danach, „wir mussten so viele Jahre auf diesen Tag warten.“ Denn die Frauen hatten bis dahin Vorurteile und Widerstände zu überwinden. Nach der Premiere sprach die AZ mit Ex-Weltmeister Dieter Thoma.

AZ: Herr Thoma, war das Werbung für die Sportart?

DIETER THOMA: Es war toll, dass die Ulrike Silber gewonnen hat. Sicher, die Qualität der Sprünge war sehr unterschiedlich. Da waren einige dabei, denen fehlt das technische Know-How. Da bleiben viele oben am Hügel kleben.

Vor allem Mädchen mit pickligen Kindergesichtern, die mit 13 oder 14 gerade einmal in der Vorpubertät scheinen.

Ich kann da manche Trainer auch nicht verstehen. Glücklicherweise haben sie die zwölfjährige Tschechin, die im Training gestürzt ist, nicht mehr springen lassen. Sicher kann eine 15-Jährige auch gut springen, aber irgendwo muss eine Grenze sein. Hier ist die FIS gefragt. Es gibt viel zu tun, auf das Alter muss klar geachtet werden. Man kann und muss viel lernen daraus. Für mich war es jedenfalls der frühest mögliche Zeitpunkt für die WM-Premiere.

Also noch nicht höchste Zeit.

Nein. Genau, wie man die Springerinnen reifen lassen muss, muss man auch den Sport reifen lassen. Früher hätte keinen Sinn gemacht.

Immerhin gibt es keine aberwitzigen Vorurteile mehr. Gianfranco Kasper, der FIS-Präsident, lehnte 1997 Frauen-Skisprung noch mit den Worten ab: „Beim Aufprall zerreißt es denen doch die Gebärmutter.“ Der Wahrheitsgehalt dieser Aussage ist von Ärzten übrigens inzwischen klar widerlegt worden.

Ich habe noch nie davon gehört, dass Skispringen für die Frauen gefährlicher sein soll. Schauen sie sich doch die Stürze bei einer Abfahrt an, der alpine Sport ist nicht weniger brutal. Der Verband muss jedenfalls professioneller rangehen. Muss auch das Potenzial sehen, was Sponsoren angeht, schließlich gibt es hier Top-Leistungen von hübschen Mädchen.

FIS-Sprungchef Walter Hofer regte bereits engere Sprung-Anzüge für die Frauen an, das würde weiblicher wirken. Braucht das Skispringen mehr Sex?

Die Anlaufspur ist kein Laufsteg, hier geht es in erster Linie um Sport und nicht um Schönheit. Und doch tut es sicher gut, wenn sich viele sagen: ’Mensch, die sieht ja gar nicht schlecht aus.’ Denken Sie an den Hype um Schmitt, auch ein gut aussehender Mann. Da gab es ja auch die berühmten Transparente mit den Kinderwünschen.

Wann sehen wir dann also Plakate mit „Ulrike, ich will ein Kind von Dir“?

Das wird wohl noch dauern, aber ich denke nur an einen anderen Sport, den sie vor 20 Jahren belächelten, als die Frauen damit anfingen, wo zuerst auch nicht mehr als 200 Zuschauer dabei waren.

Sie meinen?

Biathlon. Und was haben wir heute für einen Boom um Kati Wilhelm und Magdalena Neuner. Nur wird das noch dauern, und fatal wäre es, wenn Ulrike Gräßler erst bei der nächsten WM wieder im Fernsehen wäre. Es wäre wichtig, nächsten Winter einen Weltcup für die Frauen auszurichten und den zu übertragen. Die Entwicklung dauert. Die Frauen müssen noch wachsen. Interview: Florian Kinast

Interview: Florian Kinast

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