Thoma über Skispringer Freund: „Wahnsinniger Realist“

Im AZ-Interview spricht Dieter Thoma über den Sieg von Freund, was ihn so stark macht – und welche Chancen er auf den Tourneesieg hat
Thomas Becker |
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Im AZ-Interview spricht Dieter Thoma über den Sieg von Freund, was ihn so stark macht – und welche Chancen er auf den Tourneesieg hat.

AZ: Herr Thoma, Sie haben Severin Freund nach seinem ersten Sieg in Oberstdorf nur kurz gratulieren können. Was schätzen Sie wird in ihm vorgegangen sein?

DIETER THOMA: Das sind Glücksgefühle, die er in seinem ganzen Leben nicht vergessen wird.

Wie ist dieser Erfolg in Oberstdorf einzuordnen?

Es ist der nächste Schritt. Weltmeister, Skiflugweltmeister, Teamolympiasieger, Gesamt-Weltcupsieger: Das hat er alles schon erreicht und verarbeitet. Und jetzt auch diese „Hürde“ Oberstdorf. Bei der Tournee hatte es bislang ja nie so recht geklappt. Im vergangenen Jahr hatte er Rückenprobleme, war zu Saisonbeginn nicht tausendprozentig vorbereitet – deshalb hat man heuer den Fokus darauf gelegt, früher fit zu sein, und das hat super funktioniert. Natürlich haben die Verhältnisse ein bisschen für ihn gespielt, aber er hatte auch oft genug Pech. Dieser Aufwind im zweiten Durchgang kam wie von Zauberhand – das muss man dann auch mal nutzen. So abgebrüht ist er mittlerweile.

 

Gesamt-Weltcup ist mehr wert als der Weltmeistertitel

 

Beschreiben Sie doch mal seine Entwicklung in den vergangenen Jahren.

Ständig und stetig bergauf! Der Gewinn des Gesamt-Weltcups ist für mich mehr wert als der Weltmeistertitel, weil man permanent eine hohe Leistungsdichte abrufen muss – ähnlich wie bei der Vierschanzentournee. Severin hat eine unbändige Konstanz, macht kaum Fehler. Wenn, dann stimmt die Feinabstimmung mit der Schwerpunktsuche beim Absprung nicht 100-prozentig. Aber sein Flugsystem ist supersymmetrisch und ausgeklügelt. Aus dieser tiefen, geduldigen Ruhe und Gewissheit, auch mit einem etwas schlechteren Sprung vorne dabei sein zu können, kommt irgendwann mal im richtigen Moment die große Qualität durch. Der Moment ist nun gekommen. Das freut mich irrsinnig für ihn. Er ist jedoch nach dem Sieg sehr realistisch geblieben. Aber er ist gefestigt und weiß: Ich kann die Tournee gewinnen. Ein wunderschönes Gefühl, das zudem Sicherheit gibt.

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Er macht nicht den Eindruck, als würde ihn irgendetwas aus der Bahn werfen.

Er ist ein wahnsinniger Realist, und das hilft ihm in der Situation weiter. Er hat keine großen Schwankungen, kann das alles gut einschätzen und flippt jetzt nicht komplett aus. Auch wenn es schlecht läuft, ist er einer, der das immer bodenständig beurteilt.

 

Freunds Garmisch-Chance? "Er kann auch dort sehr weit springen."

 

Nächste Station ist Garmisch-Partenkirchen: nicht gerade Freunds Lieblingsschanze ...

Klar liegt einem die eine Schanze mehr als die andere. Aber wenn man eine gute Form hat, springt man überall gut. Das hat man in Engelberg gesehen: Die Schanze mag er nicht so. Ein alter, holpriger Anlauf, wo es schwer ist, den Schwerpunkt zu finden. Das ist für Severin immer ein wichtiges Puzzelstück: zum Schanzentisch hin den richtigen Schwerpunkt finden. Der ist in Garmisch wieder anders als in Oberstdorf, aber mit seiner Form wird er auch die Selbstsicherheit haben, dass er auch dort sehr weit springen kann. Und Peter Prevc hat nun mehr Druck – weil Severin seine Stärken gezeigt hat.

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Wagen wir noch den Blick in die Glaskugel: Wer wird nach dem letzten Springen am 6. Januar in Bischofshofen den Siegerpokal in die Höhe halten?

Man hat in Oberstdorf gesehen, wie schnell sich so ein Wettkampf drehen kann. Top-Favorit ist immer noch Peter Prevc, weil er einfach perfekt springt. Severin springt auf ähnlichem Niveau, aber die hohe, fehlerfreie Konstanz habe ich bei ihm im Vergleich zu Prevc noch nicht gesehen. Aber es heißt nicht umsonst: Die Tournee wird im Kopf entschieden – und da ist Severin sehr stark. Obwohl auch Prevc so wirkt, als würde ihm überhaupt nichts wehtun. Es kann aber auch eine Eigendynamik geben. Severin weiß jetzt, dass er auf deutschem Boden einen großen Sieg landen kann. Aber mit diesem ersten Sieg geht der Kampf jetzt erst so richtig los.

 

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