Sven Hannawald über Freund und die Gefühlsfrage

Der 42-jährige Sven Hannawald gewann 2001/02 die Vierschanzentournee und siegte in jedem einzelnen Springen – bis heute unerreicht. Jetzt begleitet er die Veranstaltung als TV-Experte bei Eurosport.
AZ: Herr Hannawald, neuerdings sehen wir Sie wieder an den Schanzen des Skisprung-Weltcups – als Experte für Eurosport, wie auch Ihr Ex-Mannschaftskollege Martin Schmitt, der bei der Vierschanzentournee und der WM dazu stößt. Wie gefällt Ihnen der Job?
SVEN HANNAWALD: Ich war zuvor das ein oder andere Mal als Zuschauer dabei – das war schon schön, aber als „Ehemaliger“ auch ein bisschen langweilig. Wenn man nicht eingebunden ist, hat man halt eine ganz andere Dosis Adrenalin im Blut. Jetzt wirklich dabei zu sein und gewisse Dinge weitergeben und erklären zu können, macht unheimlich Spaß. Ich bin die gesamte Saison über dabei, sehe, wie sich Dinge entwickeln, fiebere mit dem ein oder anderen mit. Ähnlich wie früher – mit dem Unterschied, dass die Erwartungen an mich weitaus geringer sind. Es ist einfach ein entspannterer Job. Jetzt komme ich mal dazu, mir die Städte anzuschauen, in denen ich früher schon so oft war.
Wie erleben Sie heuer das deutsche Team?
Bei Severin Freund bin ich überrascht, wie er sich nach der Hüft-OP schlägt. Nach seinem Sieg in Kuusamo dachte natürlich jeder, dass das jetzt so weitergeht. Die nächsten Springen mit den unterschiedlichen Schanzentypen waren einerseits eine kleine Ernüchterung, aber auch normal nach einer solchen Verletzung. Er hat sich super entwickelt, und die Schanzen, die jetzt kommen, liegen ihm. Den Titel „Deutscher Überflieger“ muss er sich aber erst wieder erarbeiten.
Alle Zahlen und Fakten zur Vierschanzentournee
Beeinträchtigt ihn die operierte Hüfte noch?
Laut Trainerstab hat er keine Schmerzen. Aber er hat natürlich Trainingsrückstand und muss sich das Gefühl für den Ablauf wieder erarbeiten. Das dauert einfach. Teilweise ist er schon wieder zu euphorisch, total „on fire“, und versucht, so schnell wie möglich wieder die Form zu finden, die man von ihm in der vergangenen Saison gewöhnt war.
Immerhin ist somit bei der Tournee der Erwartungsdruck nicht so hoch.
Er wurde halt immer in die Sieger-Rolle gedrückt, weshalb es jetzt gar nicht mal so schlecht ist, dass er ein bisschen durchatmen und entspannter in die Tournee reinkommen kann.
Bester DSV-Adler ist derzeit wohl Markus Eisenbichler aus Siegsdorf. Überrascht Sie das denn?
Wenn man von den Trainern hört, was er sich im Sommer erarbeitet hat, ist es nicht wirklich überraschend. Er hat im letzten Jahr mit einigen Sprüngen schon gezeigt, dass er mit eine Rolle spielen kann – aber eben nicht auf der Ebene, die er uns jetzt zeigt. Wenn er beide Sprünge in den Wettkampf bekommt, ist die Platzierung in jedem Fall einstellig, Richtung erste Sechs. Wenn alles läuft, steht er auf dem Podest. Was aber schwierig ist, weil die anderen Kandidaten ein Tempo vorgeben, das man erst mal mitgehen muss. Es bringt aber nichts, auf andere zu schauen. Er hat sich prima entwickelt und wird das hoffentlich auch weiter tun.
Was für ein Typ ist er? Wie geht er mit Druck um?
Nach außen ist er schon locker, man kann Witze mit ihm machen und entspannt reden. Andere kriegen vor lauter Anspannung kein Wort raus, sind in sich gekehrt und verstecken sich.
Weniger gut läuft es derzeit bei Richard Freitag und Andreas Wellinger...
Es gibt teilweise super Ansätze, dass sie wieder auf das Niveau kommen, wo sie schon waren. Das sind Kleinigkeiten, dann sind die beiden wieder mit bei der Musik. Vielleicht wollen sie auch zu schnell zu viel. Dann gibt’s eine Streuung zwischen Platz 5 und 25. Wichtig ist, dass sie die Ruhe bewahren – was einfach gesagt ist. Ich war auch nicht immer der Ruhigste. Deswegen versuche ich Ruhe und Autorität auszustrahlen, wenn ich die Jungs treffe, um ihnen ein wenig Stress zu nehmen, damit sie sich aufs Wesentliche konzentrieren können. Wobei es ja auch ein positiver Stress ist, der einen pusht.
Was trauen Sie den DSV-Springern bei der Tournee zu?
Der Stabilste ist Markus Eisenbichler. Wenn alles passt, kann er in der Gesamtwertung unter den Top 5 landen. Das wäre ein super Ergebnis. Dass es im Einzelspringen zum Podest reichen kann, hat er zuletzt gezeigt. Aber mit Domen Prevc, Daniel-Andre Tande, Kamil Stoch, Stefan Kraft und Michael Hayböck hat man schon fünf Kandidaten, die ein Tempo vorlegen, dass es kracht. Top Ten ist definitiv drin, das sollte auch sein Anspruch sein. Das klingt nicht nach viel, aber gerade die Österreicher motivieren sich zur Tournee unglaublich stark. Da haben die immer eine Extraportion Power dabei. Das haben wir uns schon früher gefragt, wo die das herholen, auch wenn vorab nicht viel zusammenlief. Insofern freue ich mich wie Bolle über jede DSV-Platzierung auf dem Podest.
Peter Prevc, der im letzten Jahr mit Freund die Konkurrenz dominierte, springt heuer hinterher. Wie kommt’s?
Er kommt an das Gefühl des Vorjahres nicht mehr ran. Hinzu kommt, dass ihm sein kleiner Bruder Domen wegrennt. Da will er sich natürlich nicht auf der Nase rumtanzen lassen und versucht es mit Gewalt – und dann hast du keine Chance mehr im Skispringen. Ein großer Name fehlt bei der Tournee:
Gregor Schlierenzauer. Was ist mit ihm los?
Er hat anscheinend den Spaß wieder gefunden. Mitte Januar beim Weltcup in Wisla will er wieder dabei sein. Sein Ziel ist die WM Ende Februar in Lahti. Wenn er wieder den Bezug zum Springen hat und das aus Freude macht, muss man sich um ihn keine Sorgen machen. Er weiß, dass es schneller vorbei sein kann, als man denkt.
Wie sieht eigentlich Ihr Sport-Programm aus? Immer noch aktiv bei den Fußball-Senioren des TSV Neuried?
Klar, ich bin zwar nicht mehr so oft dabei, aber wenn ich Zeit habe, spiele ich. Höchste Liga, ein bisschen Ansporn muss schon sein.